Veröffentlicht am 28.04.1999

Open-Space-Konferenz stellt Forderungen zum Leitbildprozeß

Open-Space-Konferenz stellt Forderungen zum Leitbildprozeß

Die Entwicklung eines Leitbildes für die Hansestadt Lübeck wird noch von Verfahrensdefiziten und Risiken erschwert, die unbedingt ausgeräumt werden müssen. Darauf haben jetzt Beteiligte an den Verfahren in einem schriftlichen Appell an Bürgermeister Michael Bouteiller hingewiesen.

Formuliert und verabschiedet wurde das Papier von Teilnehmern der zweiten "Open-Space-Konferenz", die am vergangenen Freitag auf Einladung des Agenda-Teams der Hansestadt in der Geschwister-Prenski-Schule tagten. Es enthält folgende Punkte:

1. Es sind alle Anstrengungen zu unternehmen, um eine ausgewogene Geschlechterverteilung in den Gremien zu erreichen, die am Leitbildprozeß beteiligt sind. Ein "quotiertes Rederecht", das Frauen wie Männern gleich viele Redebeiträge ermöglicht. Das Angebot einer Kinderbetreuung und andere vergleichbare organisatorische Maßnahmen können dazu beitragen.

2. Bei Entwicklung einer kinder- und jugendgerechten Ablaufstruktur muß Lübecker Kindern und Jugendlichen eine unmittelbare Mitwirkungsmöglichkeit während aller Beratungs- und Entscheidungsphasen gegeben werden, schließlich geht es im wesentlichen um ihre Zukunft.

3. Gegenwärtig spiegelt die Zusammensetzung der Gremien noch nicht die Lübecker Gesellschaftsstruktur wider. Dies muß geändert werden, wobei nicht nur Funktionäre, sondern in größerem Umfang Bürgerinnen und Bürger den Entscheidungsprozeß gestalten sollten.

4. Unverzichtbar erscheint, nicht nur politische Konfliktthemen betreffende, sondern auch visionäre, allgemein positiv bewertete Leitbildinhalte zu konkretisieren.

5. Das geplante Leitbild sollte sich nicht nur auf die nächsten sechs bis zehn Jahre beziehen, sondern im Sinne der Agenda 21 einen mehrfach längeren Zeitraum umspannen mit dem Ziel einer wachsenden Zukunftsfähigkeit.

6. Zukunftsfähige Aktivitäten in Lübeck, insbesondere nachhaltige Projekte aus der Wirtschaft, sollten bereits jetzt von der Hansestadt Lübeck gefördert werden.

Die Konferenzteilnehmer beauftragten das Agenda-Team, auf eine Umsetzung dieser Empfehlungen zu dringen. Das Team soll zudem die bereits diskutierten und beschlossenen Inhalte auf Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit prüfen und nötigenfalls Korrekturvorschläge einbringen. Auch soll es bislang nicht hinreichend beteiligte gesellschaftliche Gruppen ansprechen und um Mitwirkung bitten und nicht behandelte wichtige Themen in Hinblick auf ein zukunftsfähiges Leitbild selbst bearbeiten.

Abschließend sprachen sich die Konferenzteilnehmer dafür aus, vor der endgültigen Entscheidungsfindung in der Leitbilddiskussion, erneut eine öffentliche, forumartige Veranstaltung durchzuführen, auf der alle Leitbildaussagen noch einmal aus Sicht der Agenda 21 diskutiert werden können.

Die Open-Space-Konferenz, an der 90 Lübecker und Lübeckerinnen teilnahmen, war von Stadtmoderator Dr. Frank Claus (Dortmund) eingeleitet worden. Diskutiert und kritisiert wurden in erster Linie Verfahrensfragen. "Ein Leitbild macht heutzutage nur noch dann Sinn," sagte Frank-Dieter Lammert, Leiter des Agenda-21-Teams, "wenn es zukunftsfähig beziehungsweise nachhaltig im Sinne der weltweiten Bewegung Agenda 21 ist." Ob das angelaufene Verfahren dieses Ziel, das die Konferenz für selbstverständlich erachte, erreichen werde, sei offen. Die Zusammensetzung der Gremien spiegele beispielsweise nicht die gesellschaftliche Situation in Lübeck wider. Es fehlten Information über zukunftsfähige Leitbildentwicklungen, und es mangele an thematischer Offenheit der Arbeitsgruppen.

Die zweite Open-Space-Konferenz wurde als Erfolg gewertet. "Sowohl hinsichtlich der Teilnehmerzahl, als auch in Hinblick auf die Ausgewogenheit waren wir überrascht", sagte Lammert. "Nicht nur die Ausgewogenheit im Hinblick auf soziale, ökologische und ökonomische Interessen hat uns gefreut, sondern auch die Tatsache, daß sich führende Frauen und Männer dieser Stadt quotengleich zur Teilnahme entschlossen hatten."

Die Ursache dafür liege in der zukunftsweisenden Thematik der "Lokalen Agenda 21" , so Lammert. Ein weiterer Grund sei die innovative, freie und ergebnisoffene Veranstaltungsform "Open Space". Diese Konferenzform verzichtet auf eine Tagesordnung und gibt jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer die Chance, sich in einer angenehmen Atmosphäre an der Diskussion zu beteiligen. +++