Veröffentlicht am 26.02.2018

„Soziale Mischung gegen Ausgrenzung und Stigmatisierung“

Experten thematisierten heute den sozialen Zusammenhalt in Nachbarschaften

„Sozialer Zusammenhalt in Nachbarschaften“ lautete das Thema der Fachtagung, zu der die Jugendarbeit des Jugendamtes der Hansestadt Lübeck heute, 26 Februar 2018, in die Media Docks eingeladen hatte. Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten die Halbtagsveranstaltung um sich über die verschiedenen Möglichkeiten, wie ein sozialer Aufbau von Nachbarschaften unterstützt werden kann, zu informieren. Sozialer Zusammenhalt speist sich aus vielerlei Faktoren und entsteht nicht von selbst. Deshalb beschäftigen sich Kommunalverwaltungen, Sozialwissenschaftler und Stadtplaner, aber auch aufmerksame und erfahrene Wohnungsunternehmen mit der Frage, wie ein gedeihliches Miteinander in Nachbarschaften positiv beeinflusst, quasi „geplant“ werden kann. Lübecks Kultursenatorin Kathrin Weiher bezeichnete im Rahmen der Begrüßung guten Wohnungsbau als „wichtigen Faktor, den sozialen Frieden einer Gesellschaft zu sichern“. Die soziale Mischung eines Stadtviertels sei sinnvoll, um Ausgrenzung und Stigmatisierung der Bewohner zu verhindern.

Fachvorträge führten in das komplexe Thema ein: Prof. Klaus Boehnke aus Bremen berichtete von einer Untersuchung, bei der in 78 Ortsteilen von Bremen der soziale Zusammenhalt gemessen wurde. Demnach sei der Zusammenhalt bei intensiverer Internetnutzung höher. Zudem spiele Bildung als Lebensstil beim Zusammenhalt in einem Quartier eine positive Rolle. Ferner fühlen sich Menschen in ihrem Quartier wohler, „wenn es in der Nachbarschaft stattfindet“, sagte Prof. Boehnke.

Birgit Reichel, bei der Hansestadt Lübeck zuständig für die Jugendarbeit, fragte, was „aus einem Dach über dem Kopf ein Zuhause“ mache? und thematisierte die Gestaltung von Nachbarschaften durch soziale Arbeit. Es gehe darum, „Wärme“ in die Quartiere zu bringen. Eine positive Nachbarschaft wirke sich positiv auf das Lebensgefühl und das Wohlbefinden der Menschen aus. Es gebe zudem weniger Vandalismus, weniger Fluktuation und das Sicherheitsgefühl wachse, sagte Reichel.

Außerdem wurden das Modell Probewohnen zur Integration von Flüchtlingen sowie die Chancen und Grenzen von sozialer Mischung im Rahmen von stadtpolitischen Planungen vorgestellt.

Im Anschluss diskutierten Dr. Matthias Rasch, Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH, Prof. Dr. Marcus Menzl, Fachhochschule Lübeck, Beatrix Rußland, Nachbarschaftsbüros Hansestadt Lübeck, Katharina Belchhaus, Stadtplanung Hansestadt Lübeck, Matthias Wulf, Soziale Sicherung Hansestadt Lübeck und Anette Quast, Soziale Stadt Moisling, die verschiedenen Aspekte.

Nach den Worten von Prof. Marcus Menzl von der Fachhochschule Lübeck ist die soziale Mischung in einem Stadtteil inzwischen ein erstrangiges Politikziel. Diese ermögliche Wahlfreiheit für alle auf dem Wohnungsmarkt und unterstütze die Integration benachteiligter Gruppen. Allerdings sei soziale Mischung als Prozess zu verstehen, bei dem Extreme vermieden werden müssten. Der Wissenschaftler verwies darauf, dass es zwar Anreize zur Begegnung, aber auch die Möglichkeit des Rückzuges geben müsse. Prof. Menzl sprach von Integration durch Distanz. Möglicherweise sei die Stadt „als Mosaik kleiner Dörfer“ doch nicht so schlecht.

Ulrich Kewitz von der Hansestadt Lübeck verwies in einer Podiumsdiskussion darauf, dass die Hilfsbereitschaft der Menschen groß sei, Flüchtlinge unterzubringen und sich in der Nachbarschaft um sie zu kümmern. Das Hauptproblem bestehe darin, dass es nicht ausreichend entsprechenden Wohnraum gebe.

Matthias Rasch, Geschäftsführer der Grundstücks-Gesellschaft Trave mbH in Lübeck, verwies auf die Bedeutung der Nachbarschaft bei der Integration von Flüchtlingen. Bei der Belegung von Neubauten sei auf Ausgewogenheit zu achten. Das sei eine wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Hausgemeinschaft.

Zum Abschluss der Veranstaltung verwies Birgit Reichel darauf, dass es unverzichtbar sei, die Menschen vor Ort bei der Gestaltung ihres Wohnumfeldes und der Integration von Flüchtlingen einzubeziehen. Aufklärung und Information könnten dabei helfen, Vorurteile und Ängste abzubauen.+++