Veröffentlicht am 03.05.2013

Lübeck und Ostholstein gegen Kieler Zentralisierungspläne

Bürgermeister Saxe und Landrat Sager sprachen über EU-Förderperiode ab 2014

Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe hat sich heute mit seinem Ostholsteiner Kollegen, Landrat Reinhard Sager, in Eutin getroffen, um über die EU-Förderperiode ab 2014 in Schleswig-Holstein zu sprechen. In der aktuellen Förderperiode von 2007 bis 2013 haben die Hansestadt Lübeck und der Kreis Ostholstein stark von den Fördermitteln aus dem Zukunftsprogramm Wirtschaft (ZPW) profitiert. Insgesamt flossen seit 2007 über 63 Mio. Euro an Fördermitteln aus dem Zukunftsprogramm Wirtschaft nach Ostholstein und Lübeck und lösten Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 122 Mio. Euro aus. Schwerpunkte bildeten dabei der Ausbau des Lübecker Hafens sowie Investitionen in die touristische Infrastruktur Ostholsteins.

Durch die geplante feste Fehmarnbelt-Querung wird die regionale Zusammenarbeit nach Einschätzung von Bürgermeister Saxe und Landrat Sager künftig noch wichtiger werden. Das Entwicklungskonzept entlang der Autobahn-Achse A1 zusammen mit weiteren Partnern und das anschließende Regionalmanagement sind erste Schritte auf dem Weg zu einer starken Fehmarnbeltregion an der Achse Hamburg – Kopenhagen - Malmö.

Daher stoßen die Pläne der schleswig-holsteinischen Landesregierung, zukünftig alle Förderberatungen und –entscheidungen in Kiel zu zentralisieren, auf entschiedene Ablehnung von Sager und Saxe: „Wir sehen die gemeinsamen Erfolge gefährdet, wenn die Kieler Pläne umgesetzt werden“, so Saxe. Und Sager ergänzt: „Das wird die gewachsene Zusammenarbeit auf regionaler Ebene ihrer Substanz zu berauben. Schleswig-Holstein ist nicht eine Region, wie von Kiel und Brüssel derzeit gern behauptet wird.“

Die verschiedenen Landesteile hätten sehr unterschiedliche Stärken und Schwächen, betonen Bürgermeister Saxe und Landrat Sager. Die daraus resultierenden Bedürfnisse kenne niemand besser als die Akteure vor Ort. Wenn künftig nur noch Projekte von aus Kieler Sicht landespolitischer Bedeutung gefördert würden, werde am tatsächlichen Bedarf vorbei agiert. „Ostholstein und Lübeck gehen leer aus“, so die Befürchtung von Saxe und Sager.

In einer entsprechenden Resolution hat der Regionalbeirat Süd-Ost bereits im September 2012 seine Bedenken deutlich gemacht und an die Landesregierung appelliert, die Förderregionen zu erhalten und ihnen entsprechende Gestaltungsfreiheit bei der Umsetzung der Förderprogramme zu geben.

Eine landesweite, von der Regionalgeschäftsstelle Süd-Ost ins Leben gerufene Befragung von regionalen Akteuren und Projektträgern im Sommer vergangenen Jahres hat klar ergeben, wo sie Förderbedarf in der Zukunft sehen: Die Förderung touristischer und wirtschaftsnaher Infrastruktur stand ganz oben auf der Wunschliste der Akteure. Auch die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Themen Bildung und Qualifizierung standen hoch im Kurs.

Die EU-Kommission macht enge Vorgaben für die Verwendung der Fördermittel aus dem EFRE und anderen Fonds für die Zeit ab 2014. Die Verhandlungen in Brüssel über Details der Verordnungen laufen noch, an den gesetzten Schwerpunkten wird sich jedoch kaum noch etwas ändern: Künftig sollen 80 Prozent der Mittel in die Bereiche Forschung und Innovation, Unterstützung von KMU und die Reduktion von CO2-Emissionen fließen. Gerade deshalb appellieren die Spitzenvertreter aus Ostholstein und Lübeck gemeinsam an die Landesregierung, die noch bestehenden Spielräume (auch in Kombination mit Fördermitteln des Bundes) zu nutzen und ein Förderprogramm zu entwickeln, das die regionalen Förderbedarfe soweit wie möglich berücksichtigt. Dabei werde die langjährige Erfahrung der regionalen Akteure benötigt, um die regionale Wertschöpfung und Beschäftigung auch weiterhin zu steigern. Nur mit Hilfe etablierter Regionalgeschäftsstellen mit ihrer Beratungskompetenz und ihren Kontakten in der Region ließen sich regional bedeutsame Projekte entwickeln und Fehlinvestitionen vermeiden.

Die Abschaffung regionaler Beteiligungs- und Beratungsstrukturen hätte noch aus einem weiteren Grund negative Konsequenzen: Neben den Fördermitteln aus Brüssel wird es auch weiterhin Fördermöglichkeiten aus Bundesmitteln im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ geben. Gerade diese Mittel sollen, wie der Name schon sagt, den Regionen zu Gute kommen und dürften nicht losgelöst von dem konkreten Bedarf vor Ort aus Kiel verteilt werden, so Bürgermeister Saxe und Landrat Sager. „Regionale Beteiligungsstrukturen befördern die Kommunikation und Kooperation der Regionen untereinander und wirken dem Wiederaufleben von ‚Kirchturmdenken’ entgegen“.

Beispiele für die Fördermaßnahmen in Lübeck:

Für den Hafen Lübeck wurden in den vergangenen fünf Jahren drei große Hafenprojekte aus dem ZPW gefördert. Der Flächenausbau des Seelandkais, der Flächenausbau am Skandinavienkai und der Umbau des Anlegers 7, ebenfalls am Skandinavienkai.

Die Förderquote lag bei 47,08 Prozent, konkret 8,97 Mio. Euro Fördermittel, die 19,05 Mio. Euro Investitionen ausgelöst haben. Mit diesen Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Lübecker Hafens wurde ein wesentlicher Beitrag zur Umsetzung der EU Strategie geleistet für die Verlagerung der Verkehrsträger „from road to sea“, also der Verlagerung der Verkehrsströme von der Straße auf den Seeweg.

Solche wichtigen Investitionen wie der Aus- und Umbau des Lübecker Hafens sichern auch die Stellung Lübecks im internationalen Wettbewerb um den Güterverkehr. Lübecks Hafen gehört zu den wichtigsten TEN-V Häfen (Transeuropäische Verkehrsnetzwerke) in Europa. Der Hafen bietet im IHK-Bezirk Lübeck 11.000 hafenabhängige Arbeitsplätze bei einem Gesamtumsatz von knapp 2 Milliarden Euro. Die große regionalökonomische Bedeutung des Lübecker Hafens unterstrich unlängst eine Hafenstudie im Auftrag von IHK, Hansestadt Lübeck, der Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH und der Fa. Lehmann KG.

Ein weiteres von Erfolg gekröntes Beispiel ist das Branchennetzwerk Foodregio als Cluster für die Ernährungswirtschaft. Mittlerweile wird das Netzwerk von fast 50 Akteuren aus der Region getragen. Darunter so namhafte Unternehmen wie Brüggen, Brandenburg, Campbell’s, CP Kelco, Hawesta, Niederegger oder Schwartauer Werke. Die Ernährungswirtschaft beschäftigt mehr als zehntausend Menschen. Sie ist die größte produzierende Branche und steht beim Export an dritter Stelle in Schleswig-Holstein. Die Ernsthaftigkeit dieses Branchennetzwerks wird dadurch unterstrichen, dass die beteiligten Unternehmen allein im Jahr 2013 zwischen 70.000 und 100.000 Euro bereitstellen, um das Netzwerk finanziell zu stützen. So finanziert die Ernährungswirtschaft die degressiv gestaltete Förderung aus dem Zukunftsprogramm mit einer Förderquote von 70, 60 und 50 Prozent über drei Jahre gegen.

Beispiele Ostholstein:

Das Ortszentrum, die Promenade und der Kurpark in Scharbeutz wurden in mehreren Bauabschnitten und Projekten aufgewertet und zum Teil völlig neu gestaltet. Insgesamt wurden in den Ort seit 2007 rund 5,7 Mio. Euro investiert, davon 3,58 Mio. Euro an Fördermitteln aus dem Zukunftsprogramm Wirtschaft. In der Folge hatte die Gemeinde einen deutlichen Anstieg sowohl bei den Tagesgästen als auch bei den Übernachtungen zu verzeichnen. Insgesamt entstehen nach Schätzungen der Gemeinde durch diese Maßnahmen rund 160 neue Arbeitsplätze im Hotel- und Gastgewerbe und anderen Dienstleistungen.

Die neue Seebrücke Heiligenhafens mit 435 Meter Länge ist mit ihrer prägnanten Formsprache bereits zu einem neuen Wahrzeichen für Heiligenhafen geworden. Zusammen mit der Neugestaltung der Südpromenade am Binnensee vor drei Jahren sind Fördermittel in Höhe von 6,8 Mio. Euro nach Heiligenhafen geflossen. Insgesamt wurden hier 9,5 Mio. Euro in den für Ostholstein so wichtigen Wirtschaftszweig Tourismus investiert.

Aktuelle Zahlen des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein machen diese Bedeutung des Tourismus deutlich. So waren 2012 in Ostholstein 10,2 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Gastgewerbe tätig, während es im Landesdurchschnitt nur 4 Prozent waren.

Neben diesen Zahlen und Fakten hat die Zusammenarbeit in der gemeinsamen Förderregion die beteiligten Städte und Kreise näher zusammenrücken lassen. Gemeinsame Entwicklungsstrategien wurden erarbeitet, Kirchturmdenken wurde zu Gunsten gemeinsamer Ziele zurückgestellt.

Gemeinsame Projekte wurden entwickelt und umgesetzt, wie z. B. erfolgreiche Clustermanagements in den Bereichen Logistik und Ernährungswirtschaft. Projekte der touristischen und wirtschaftsnahen Infrastruktur wurden gegenseitig unterstützt und die Gewerbeflächenentwicklung untereinander abgestimmt. +++