Veröffentlicht am 02.05.2011

„Die Hanse ist ein Vorbild für europäische Integration“

Leine-Deister-Zeitung interviewte Bernd Saxe in dessen Funktion als Vormann der Hanse

Anlässlich des 31. Internationalen Hansetags vom 19. bis 22.Mai 2011 in Kaunas (Litauen) interviewte ein Redakteur der Leine-Deister-Zeitung aus Gronau (Leine) Bürgermeister Bernd Saxe in dessen Funktion als Vormann der Hanse.

Was hat die Hanse der Neuzeit den rund 180 im Hansebund vertretenen Hansestädten zu bieten?

Die Hanse bietet ihren Mitgliedsstädten die Möglichkeiten, ihre Tradition und Geschichte in der Gemeinschaft lebendig zu halten. Sie bietet ihnen die identitätsstiftende Zugehörigkeit zu einer großen Gemeinschaft, die in der Geschichte über Jahrhunderte eine bedeutende Rolle in Europa gespielt hat. Und sie bietet die Möglichkeit der Mitwirkung und des Partizipierens an heutigen Aktivitäten wie der Entwicklung des Hanse-Tourismus oder des Hanse-Business-Networks.

Wie können kleine Hansestädte wie Gronau und Alfeld effektiv in das moderne Hansenetz eingebunden werden?

Es ist der besondere Charme der inneren Verfasstheit des Hansebundes, dass alle Mitgliedsstädte gleichberechtigt und gleich bedeutend sind, unabhängig von ihrer Größe oder von ihrer geographischen Lage. Millionenstädte wie z. B. Hamburg haben nicht mehr und nicht weniger Einfluss auf die Geschicke der Hanse als kleinere Mitgliedsstädte wie Gronau oder Alfeld. Isländische, estnische oder schwedische sind gleichberechtigt mit deutschen. Jeder hat eine Stimme.

Worauf sollten die Städte Gronau und Alfeld achten, damit sie vom Hansebund profitieren?

Dabei sein und Mitmachen! Es ist wichtig, dabei zu sein - auf dem Hansetag ebenso wie in Projekten und Arbeitsgruppen. Hier bekommt man die Informationen, die man benötigt, um den größtmöglichen Nutzen aus der Mitgliedschaft im Internationalen Städtebund zu ziehen. Zum Beispiel das Business-Network: Hier werden kleine und mittlere Unternehmen aus den Hansestädten zusammengeführt, können Kontakte knüpfen, neue Geschäftsbeziehungen aufbauen in 14 europäische Länder. Wer nicht mitmacht, vertut seine Chancen!

Wie kann die Hanse der Neuzeit die Bürger der Hansestädte erreichen?

Es ist in erster Linie Aufgabe der Mitgliedsstädte selbst, in ihrer jeweiligen Bevölkerung das Bewusstsein über die Zugehörigkeit der Stadt zum Hansebund zu wecken und zu pflegen. Von wann bis wann war meine Stadt dabei? Welche Rolle hat sie in der Hanse-Geschichte gespielt? Was konnte sie beitragen zum Erfolg der mittelalterlichen Hanse? Wo in der Stadt finden wir noch heute Zeugnisse der historischen Zugehörigkeit? Diese Geschichte aufzuarbeiten und den Bürgern näher zu bringen ist eine ebenso spannende wie lohnende Aufgabe. Wir erleben, dass die Bürger in der Regel stolz sind auf die eigene Stadt und ihre Hansegeschichte, wenn ihnen diese nur nähergebracht wird.

Und wie kann der Hansegedanke in die Bevölkerung getragen werden?

Zum Beispiel der jährliche ‚Tag der Hanse’ bietet in jeder Stadt eine gute Gelegenheit, diese Themen zu transportieren. Aber in mehr und mehr Städten wird es auch Praxis, zu den Regionalen oder zum Internationalen Hansetagen Bürgerreisen zu organisieren, den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen. Aber die Repräsentanten der Stadt sollten das Hanse-Thema nicht nur zu diesen besonderen Ereignissen, sondern ganzjährig zum Gegenstand ihrer Reden und Erklärungen machen.

Worin liegt der Sinn der jährlichen Hansetage der Neuzeit?

Die jährlichen Hansetage – der Internationale oder die Regionalen wie z. B. der Westfälische Hansetag – sind regelmäßige Familienfeste der Hanse. Hier trifft man sich, es wird der kulturelle Austausche gepflegt, Erfahrungen werden ausgetauscht und gemeinsame Projekte besprochen. Und, ganz wichtig: Man feiert zusammen. Auch das gehört zur Hanse!

Auf welche Erfolge kann der Hansebund verweisen?

Der größte Erfolg der jüngeren Hanse-Geschichte ist, dass es gelungen ist, den Städtebund nach mehreren Jahrhunderten des Stillstands wieder zu einem lebendigen Miteinander zu führen, das die Mitgliedsstädte als hochaktuell empfinden. Der Erfolg zeigt sich darin, dass wir eine wachsende Organisation sind. Welche andere Gemeinschaft kann das schon von sich sagen? Aber ein großer Erfolg ist auch, dass es zunehmend gelingt, einen Hanse-Tourismus zu entwickeln. Menschen aus Hansestädten machen sich auf den Weg, um das Leben, die Kultur, Geschichte, Architektur und Städtebau in anderen Hansestädten zu sehen und zu erleben. Bedenkt man, dass in allen Hansestädten zusammen heute ca. 20 Mio. Menschen leben, so sieht man, dass es sich hier auch um einen hoch interessanten Markt handelt.

Was erwarten Sie als Vormann vom Bündnis der Hansestädte?

Das Bündnis der Hansestädte ist ein höchst lebendiges Beispiel für die Tragfähigkeit der Grundwerte von Weltoffenheit und Toleranz. Menschen unterschiedlicher Herkunft, kultureller Identität und staatlicher Zugehörigkeit finden sich zusammen, akzeptieren ihre Andersartigkeit und verfolgen doch gemeinsame Ziele. Insofern ist die Hanse ein Vorbild für europäische Integration und friedliches Miteinander.

Jeder der mittlerweile 30 Hansetage der Neuzeit in vielen Ländern Europas hatte etwas Herausragendes. An welchen erinnern Sie sich besonders gern?

Nun war ich ja nicht bei allen dabei, aber alle, bei denen ich dabei sein durfte, hatten tatsächlich ihren ganz eigenen Charakter, ihre eigene Bedeutung. Zum Beispiel Riga, ein höchst eindrucksvolles Großereignis in einer schönen, typischen Hansestadt. Oder Salzwedel, ein Beispiel dafür, dass auch kleinere Städte höchst beeindruckende Hansetage auf die Beine stellen können.

Und welches von sicherlich vielen Erlebnissen hat Ihnen am meisten Freude bereitet?

Nowgorod, der erste Hansetag in Russland, das war schon ein besonderes Erlebnis. +++