Veröffentlicht am 08.02.2011

Jahresbilanz der Lübecker Museen

Neuer Besucherrekord in den Museen – Qualität der Ausstellungen muss gehalten werden

Einen Rückblick auf das vergangene Jahr und eine Vorausschau auf ihre wichtigsten Themen boten die Museen anlässlich ihrer Jahrespressekonferenz am gestrigen Montag im Gewölbekeller des Buddenbrookhauses. Neben Kultursenatorin Annette Borns und dem Leitenden Direktor der Lübecker Museen, Prof. Dr. Hans Wißkirchen, nahmen daran der Stiftungsratsvorsitzende der Kulturstiftung, Frank-Thomas Gaulin, und die Kaufmännische Geschäftsführerin, Gabriela Schröder, teil.

„Die Lübecker Museen entwickeln sich dynamisch und sind ein lebendiger Teil der Lübecker Bildungslandschaften“, hob Kultursenatorin Annette Borns in ihrer Begrüßung hervor. Prof. Dr. Hans Wißkirchen äußerte sich positiv zur Jahresbilanz: „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden, können aber nicht erwarten, dass es in den nächsten Jahren immer weiter bergauf geht“, erklärte er gegenüber Journalisten. „Für mich ist entscheidend, dass wir das Niveau halten und auch in Zukunft qualitativ hochwertige und wissenschaftlich fundierte Ausstellungen zeigen.“

Rückblick 2010: Insgesamt 280.367 Gäste haben die Lübecker Museen im Jahr 2010 besucht. Das sind rund 15.400 Besucher mehr als im Vorjahr (264.909 Besucher insgesamt) – das bedeutet ein Besucherplus von sechs Prozent für 2010. Besonders positiv war die Besucherentwicklung im Museum Behnhaus Drägerhaus. Im Jahr 2010 besuchten mehr als 24.000 Gäste das Haus, im Vorjahr waren es rund 17.000. Das bedeutet einen Zuwachs von 38 Prozent. Den zweitgrößten Besucherzuwachs notierte die Kunsthalle St. Annen/St. Annen-Museum mit 51.563 Gästen. Das sind 27 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum. Das am stärksten besuchte Museum der Hansestadt war das Museum Holstentor mit 61.160 Besuchern. An zweiter Stelle auf der Beliebtheitsskala steht das Buddenbrookhaus (55.277 Besucher, (minus 2 Prozent gegenüber 2009). Erfreulich ist die Besucherzahlenentwicklung im Günter Grass-Haus. Im Jahr 2010 konnte das Forum für Literatur und Bildende Kunst mehr als 21.400 Besucher für sich interessieren (Besucherplus: 13 Prozent). Das ist die beste Bilanz seit Bestehen des Hauses.

Während die Besucherzahlen insgesamt um 6 Prozent anstiegen, verzeichneten die Museen bei den jugendlichen Gästen einen Rückgang von rund neun Prozent. Rund 4000 Jugendliche weniger als noch im Vorjahr besuchten demnach die Ausstellungen oder nutzten die museumspädagogischen Angebote. „Offenbar fehlen uns Ausstellungen, die auch Jugendliche interessieren“, erklärte die Kaufmännische Geschäftsführerin Gabriela Schröder selbstkritisch. Und ergänzte: „Wir werden unsere Ausstellungen zukünftig verstärkt so konzipieren, dass auch jüngere Museumsbesucher sich angesprochen fühlen und ein klares Angebot finden“.

Im Jahr 2011 wird dieser Anspruch insbesondere mit der Ausstellung zur Völkerkundesammlung verwirklicht (ab 26. Juni in der Kunsthalle St. Annen). Dazu wird es fünf Monate lang ein vielfältiges museumspädagogisches Angebot für Kinder und Jugendliche geben. Auch eine Literaturausstellung im Günter Grass-Haus richtet sich vor allem an jüngere Besucher: Jugendgefährdende Schriften. „Katz und Maus“ und andere Werke in der deutschen Literatur. Laufzeit: 16. Oktober bis 31. Januar 2012.

Und: Das im Jahr 2009 gestartete Projekt „Jugend ins Museum“ der Michael-Haukohl-Stiftung und der Museen, das Schüler im Rahmen ihres Unterrichts öfter als bisher in die Museen locken soll und dazu fertig vorbereitete Unterrichtseinheiten für Lehrkräfte anbietet, wurde zum Jahresende 2010 noch einmal ausgeweitet. In diesem Jahr soll das Angebot greifen und mehr junge Besucher im Klassenverband in die Museen bringen.

Darüber hinaus wird es jugendliche Museumsscouts geben. Die vom Buddenbrookhaus und dem Theater Lübeck speziell für das Wagner-Mann-Projekt ausgebildeten Schülerinnen und Schüler werden Gleichaltrige über die Sonderausstellung Liebe ohne Glauben. Thomas Mann und Richard Wagner sowie über die Gesamtzyklen von „Wagner-trifft-Mann“ informieren, die im Februar und im Mai im Theater Lübeck auf dem Spielplan stehen.

Seit Mitte 2009 können die Museen erstmals nachvollziehen, woher ihre Besucher stammen. Dies wird durch eine Postleitzahlenabfrage an den Museumskassen möglich. Es zeigte sich, dass die Ausstellungen der Museen zur Hälfte von Besuchern aus Lübeck und dem Rest Schleswig-Holsteins besucht werden (zusammen: 50,5 Prozent). Die übrigen Gäste stammen vor allem aus Nordrhein-Westfalen (10,0 Prozent), Niedersachen (6,9 Prozent) Hamburg (6,0 Prozent) und Berlin (5,3 Prozent).

„Übertragen auf die Gesamtbesucherzahl lässt sich also feststellen, dass rund 140.000 kunst- und kulturinteressierte Besucher aus anderen Bundesländern kamen. Das unterstreicht die Bedeutung der Museen als Tourismusfaktor für die Stadt Lübeck“, betonte der Stiftungsratsvorsitzende Frank-Thomas Gaulin.

Karl Schmidt-Rottluff. Ostseebilder: Die erfolgreichste Ausstellung des Jahres (35.357 Besuche) war die Doppelausstellung Karl Schmidt-Rottluff. Ostseebilder. Sie war im Museum Behnhaus Drägerhaus (Werke bis in die 1930er Jahre) und in der Kunsthalle St. Annen (Sierksdorfer Motive der Nachkriegszeit) zu sehen. Karl Schmidt-Rottluff zählt zu den Hauptvertretern des deutschen Expressionismus. Von Beginn seiner Karriere an reiste er regelmäßig an die Ostsee. In Kooperation mit dem Brücke-Museum Berlin wurden die Motive seiner Ostseereisen vom 13.6. bis 5.9. in Lübeck präsentiert. Die Doppelausstellung war Teil eines Gemeinschaftsprojekts mit dem Landesmuseum Schloß Gottorf in Schleswig und der Kunsthalle zu Kiel.

Natalja Gontscharowa. Zwischen russischer Tradition und europäischer Moderne: In der Lübecker Kunsthalle St. Annen wurden vom 7. Februar bis zum 30. Mai 2010 Werke der russischen Malerin Natalja Gontscharowa ausgestellt. Die Künstlerin hat die russische Avantgarde mitbegründet und trug mit ihren Gemälden, Papierarbeiten, Kostüm- und Bühnenbildentwürfen maßgeblich zum künstlerischen Entwicklungsprozess in Russland und Europa bei. Die Malerin gehört seit einigen Jahren zu den höchst gehandelten Künstlern weltweit. Mehr als 20.000 Menschen haben die Ausstellung in der Kunsthalle St. Annen in Lübeck besucht.

Kunst, Küche und Kalkül. Carl Friedrich von Rumohr (1785–1843) und die Entdeckung der Kulturgeschichte: Der 225. Geburtstag Carl Friedrich von Rumohrs war für das Museum Behnhaus Drägerhaus im Spätsommer Anlass, diese wichtige Persönlichkeit in einer Ausstellung zu würdigen. Rumohr, der aus einem alten holsteinischen Adelsgeschlecht stammte, war als Künstler, Kunstschriftsteller, -sammler, -vermittler und –förderer – vor allem auch in Lübeck - tätig. Er verfasste ein viel beachtetes Buch über das Kochen und gilt als Begründer einer modernen Kulturgeschichte. Die Jubiläumsausstellung wurde in Zusammenarbeit mit der Familie von Rumohr konzipiert und fand große überregionale Beachtung in den Medien. Die Ausstellung wurde am 19. September eröffnet und endete am 16. Januar 2011.

„Alles möchte ich immer“ Franziska Gräfin zu Reventlow 1871-1918: Eine Schriftstellerin und Künstlerin, die ebenfalls einen intensiven Bezug zu Lübeck hat, wurde vom 12. September bis 21. November mit einer Sonderausstellung im Lübecker Buddenbrookhaus geehrt: Franziska Gräfin zu Reventlow. Die große und aufwändig inszenierte werkbiografische Schau beleuchtete die vier großen, relevanten Lebensstationen – Husum, Lübeck, München und Ascona – und veranschaulichte die je prägenden Erfahrungen der Gräfin anhand von meist neu entdeckten Quellen. Zu sehen waren eigene bildkünstlerische und literarische Werken, Fotografien, Briefe, Bücher, amtliche Dokumente, Zeugnisse Dritter und gegenständliche Exponate.

Begleitend zu der Ausstellung erschien ein reich illustrierter Katalog mit wissenschaftlichen Beiträgen der Kuratorinnen Kornelia Küchmeister, Dörte Nicolaisen und Ulrike Wolff-Thomsen sowie der Reventlow-Biografin Ulla Egbringhoff.

Museumsnacht: Ein Höhepunkt des Museumsjahres war die 10. Lübecker Museumsnacht am 28. August. Das multikulturelle Programm der Jubiläumsnacht lockte mehr als 33.000 Besucher an – die bislang höchste Besucherzahl der 10 Museumsnächte. Anlässlich des Jubiläums hatten die Museen mit vielen Partnern in der Stadt kooperiert und gemeinsam ein besonders attraktives Programm gestaltet. Die nächste Museumsnacht findet am Sonnabend, 27. August, statt.

St. Annen-Museum: Die größten Baumaßnahmen im vergangenen Jahr betrafen das St. Annen-Museum. Für rund zwei Millionen Euro, die aus Spendengeldern, Stiftungsgeldern, Eigenmitteln und dem Konjunkturprogramm II stammen, wurden die ersten Räume bereits 2009 modernisiert , weitere Räume folgten im Jahr 2010. Für die komplette Umsetzung der geplanten Neugestaltung fehlen derzeit noch etwa 190 000 Euro. Der Umbau, der ursprünglich bis 2011 dauern sollte, wird voraussichtlich im Jahr 2012 abgeschlossen sein.

Ausblick 2011

Herta Müller. Der kalte Schmuck des Lebens: Im Dezember 2009 wurde Herta Müller der Nobelpreis für Literatur überreicht – 80 Jahre nach Thomas Mann. Nun wird der rumäniendeutschen Schriftstellerin zum ersten Mal eine umfassende werkbiografische Ausstellung gewidmet. Sie wurde zunächst in München und Berlin gezeigt und ist seit dem 22. Januar bis zum 26. April im Buddenbrookhaus in Lübeck zu sehen. Ernest Wichner, Leiter des Literaturhauses Berlin und ein enger Freund Herta Müllers, hat die Ausstellung gemeinsam mit Lutz Dittrich kuratiert.

Am Sonnabend, 19. März, wird Herta Müller persönlich nach Lübeck kommen. Im Lübecker Theater spricht die Literaturnobelpreisträgerin mit Ernest Wichner über wichtige biografische und literarische Stationen.

Barlach in Lübeck: Zwei Museen in Lübeck würdigen den großen Bildhauer, Schriftsteller und Zeichner Ernst Barlach jetzt mit einer großen Doppelausstellung. Das Museum Behnhaus Drägerhaus bietet mit "...das Kunstwerk dieser Erde" Barlachs Frauenbilder einen Überblick über Barlachs Frauendarstellungen und beleuchtet sie im Hinblick auf seine persönlichen Frauenbeziehungen. Das Günter Grass-Haus widmet sich dem unbekannteren literarischen Werk des Künstlers: „Mythos und Zukunftstraum“. Texte und Bilder von Ernst Barlach. Die Ausstellung ist vom 13. Februar bis 29. Mai in der Hansestadt zu sehen. Begleitend wird es hervorragende museumspädagogische Angebote für Kinder und Jugendliche geben.

Welten entdecken. Werke der Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck zu Gast in der Kunsthalle St. Annen: Herausragende Kunstwerke der Kulturen der Welt aus dem umfangreichen Bestand der Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck stehen ab 26. Juni im Mittelpunkt einer großen Ausstellung in der Kunsthalle St. Annen. Geordnet nach Kontinenten werden in allen Etagen mehr als 200 selten oder noch nie gezeigte Werke aus 40 verschiedenen Ländern vorgestellt: Estland und Italien sind ebenso vertreten wie die USA und Peru, wie Kenia und Äquatorialguinea, Kasachstan, Thailand und Japan, Samoa, Australien und Papua Neuguinea. Die ältesten Objekte in der Ausstellung sind 2000 Jahre alt, das jüngste ist Anfang des 21. Jahrhunderts geschaffen worden. Die Ausstellung wird bis zum 13. November gezeigt. Ab sofort soll es in jedem Jahr in einem Lübecker Museum eine Ausstellung aus dem Bestand der Völkerkundesammlung geben. Zur Ausstellung erscheint ein großformatiges Buch (400 Seiten) für das 400 ausgewählte Werke fotografiert wurden. Der Katalog gibt erstmalig seit 1921 wieder einen umfassenden Einblick in die Bestände der wertvollen Lübecker Sammlung mit ihren nahezu 28.000 Objekten. Ein umfangreiches museumspädagogisches Angebot begleitet die Ausstellung in der Kunsthalle St. Annen.

Mit der Ausstellung Liebe ohne Glauben. Thomas Mann und Richard Wagner findet das Lübecker „Wagner trifft Mann“-Projekt seinen Abschluss und Höhepunkt. Die lebenslange Faszination Thomas Manns für den Komponisten Richard Wagner wird zum ersten Mal in diesem Umfang in einer Ausstellung thematisiert. An fünf Stationen soll Thomas Manns Auseinandersetzung mit den „Denkfiguren Wagner“ chronologisch präsentiert und an Exponaten anschaulich gemacht werden. Außerdem werden Thomas Manns Hör- und Theatererlebnisse der jeweiligen Zeit aufgegriffen. Originalexponate aus dem Richard-Wagner-Museum / Haus Wahnfried werden gezeigt, erstmals an einem anderen Ort als Bayreuth. Zudem werden Original-Partituren, Gemälde, Kostüme der Parsifal-Inszenierung, die Thomas Mann 1909 in Bayreuth besucht hat, sowie diverses Bildmaterial und Briefe Wagners zu sehen sein. Laufzeit der Ausstellung: 15. Mai bis 25. September.

Kulturforum Burgkloster: Ende des Jahres 2011 wird das Kulturforum Burgkloster geschlossen. Die Leiterin des Hauses, Dr. Ingaburgh Klatt, wird im letzten Jahr des Museums noch einmal mehrere Highlights setzen. Vom 6. März bis 24. April ist die Sonderaustellung Marc Chagall – „Aus dem Herzen heraus“ zu sehen. Sie zeigt rund 50 Bilder des weißrussisch-französischen Künstlers, der als einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts gilt. Die Ausstellung ist Teil der Jüdischen Kulturtage. Vom 9. April bis 22. Mai wird im Burgkloster zum letzten Mal die Frühjahrsschau der Lübecker Künstler zu sehen sein und ab 19. November ein letztes Mal die Jahresschau. Werke aus der „Sammlung im Willy-Brandt-Haus“, Berlin werden vom 6. Juni bis 28. August präsentiert. Titel der Sonderausstellung: 1933 – 1945. Verfolgt, verfemt, entartet. Gezeigt werden 130 Arbeiten von 85 Künstlerinnen und Künstlern. Vom 3.7. bis 4.9. stellt die Künstlerin Christa Fischer Zeichnungen und Installationen aus. Und vom 17.9. bis 30.10. verdeutlichen Renate Ursula Becker und Germa Ohlhaver zwei Positionen zeitgenössischer Kunst.

Magazin im Günter Grass-Haus: Mitte März wird das neue Magazin des Günter Grass-Hauses, das im Garten des Hauses – angrenzend an den Seminarraum - entstanden ist, offiziell eingeweiht und bezogen. Alle bildkünstlerischen Arbeiten von Günter Grass werden dort gelagert – aus konservatorischer Sicht eine immense Verbesserung. Zudem bietet sich erstmals die Möglichkeit, Sonderausstellungen zwischen zu lagern.

Zentrum für Kulturwissenschaft: Wissenschaft wird in Lübeck groß geschrieben: Vier städtische Institutionen wollen sich mit vier Uni-Einrichtungen zum „ZKFL“, dem Zentrum für kulturwissenschaftliche Forschungen Lübeck, zusammenschließen. Ziel ist es, neben dem naturwissenschaftlich-medizinischen Profil auch die geisteswissenschaftliche Forschung an der Uni zu verankern. Partner sind auf Seiten der Stadt die Museen, das Archiv und die Bibliothek der Hansestadt sowie der Bereich Archäologie und Denkmalpflege, auf Seiten der Uni das Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung (IMGWF), das Institut für Multimediale und Interaktive Systeme (IMIS), sowie der Lehrstuhl für Bevölkerungsmedizin. Dieses Netzwerk soll zukünftig Nachwuchswissenschaftlern ermöglichen, im Bereich der Kulturwissenschaften in Lübeck zu promovieren. +++