Veröffentlicht am 20.12.2010

Stadtpräsidentin und Bürgermeister grüßen zum Jahreswechsel

Liebe Mitbürgerinnen und liebe Mitbürger,


Liebe Mitbürgerinnen und liebe Mitbürger,

den Jahreswechsel nehmen wir traditionell zum Anlass, das vergangene Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen und einen Ausblick aufs kommende Jahr zu wagen. Auch wenn das Jahr 2010 in Lübeck noch durch die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise geprägt war, so ist es der heimischen Wirtschaft gelungen, ihre Beschäftigten zu halten und zum Teil sogar Neuanstellungen vorzunehmen. Besonders erfreulich ist, dass die Zahl der Arbeitslosen gegenüber 2009 deutlich zurückgegangen ist: Damals waren noch rund 12.000 Frauen und Männer erwerbslos, jetzt, mit Stand Ende November, waren 10.658 Arbeitslose gemeldet, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 10,1 %. Zu Beginn der Arbeitsmarktreformen im Jahr 2005 lag die Quote noch bei knapp 20 %. Die Erweiterungen von Brüggen auf dem Konstinkai, Vestas am Skandinavienkai, Dräger in der Revalstraße und des CITTI-Parks in Herrenholz, die Übernahme von LMG durch einen neuen Investor, der Beschluss zum Flächennutzungsplan für Priwall-Waterfront und der Start des Genehmigungsverfahrens für IKEA zeigen, dass die von Politik und Verwaltung über Jahre betriebene Wirtschaftspolitik Früchte trägt und die Unternehmen Vertrauen in den Standort Lübeck haben. Dieses Vertrauen gilt es weiterhin zu rechtfertigen.

Haushalt

Die Auswirkungen der Finanzkrise, insbesondere durch damit verbundene Einbrüche bei den Steuereinnahmen, sind nach wie vor im städtischen Haushalt zu spüren. Erstmals wurde der Haushalt nach den Regeln kaufmännischer Buchführung aufgestellt. Das ist zugleich ein historischer Einschnitt: Er dokumentiert den Wechsel von der Jahrhunderte alten Kameralistik zur doppelten Buchführung, in Verwaltungsdeutsch Doppik genannt. Zugleich liegt damit erstmals in der Geschichte der Hansestadt Lübeck eine umfassende Analyse der Vermögens- und Schuldenlage vor.

Der im Februar beschlossene Haushalt 2010 wies einen Jahresfehlbetrag von gut 123 Millionen Euro auf. Dieses Saldo ergibt sich aus den Ausgaben (in der neuen Terminologie Aufwendungen) in Höhe von 643 Millionen Euro und Einnahmen (neu: Erträgen) von knapp 520 Millionen Euro. Zum Nachtragshaushalt konnte der Jahresfehlbetrag verringert werden, liegt aber immer noch bei rund 113 Millionen Euro.

Im September wurde in einer vorläufigen Fassung die erste Bilanz der Stadt vorgelegt. Bisher wurden im Haushalt immer nur die Schulden dargestellt. Jetzt wird den Schulden das Vermögen der Stadt gegenüber gestellt. Die Differenz daraus entspricht dem städtischen Eigenkapital. Hierbei ist deutlich geworden, dass Lübeck zwar eine reiche Stadt, aber dennoch nicht vermögend ist: Wir sind reich an Kunstgegenständen und historischen Gebäuden, doch das sind Werte, die nur zu einem geringen Teil als Eigenkapital ausgewiesen werden können. So betrug das Eigenkapital zum Stichtag 1. Januar 2010 gerade einmal 23 Millionen Euro, bei einem Bilanzvolumen von fast 1,4 Milliarden Euro.

Flughafen

Ebenfalls historisch zu nennen ist der Bürgerentscheid „Ja zum Lübecker Flughafen!“, denn es war erst der zweite in der Geschichte Lübecks und der erste erfolgreiche. Die Beteiligung an der Abstimmung Ende April war erstaunlich hoch: mehr als 54.000 Bürgerinnen und Bürger gaben ihre Stimme ab, das entsprach einer Wahlbeteiligung von 31,4 %. Die Zahl der Ja-Stimmen übertraf mit 67,5 % deutlich die der Nein-Stimmen und auch das Quorum, wonach mindestens 20 Prozent der Abstimmungsberechtigten für den Bürgerentscheid stimmen mussten, wurde erreicht. Damit wurde der Bürgerschaftsbeschluss vom November 2009 aufgehoben und die Hansestadt Lübeck verpflichtet, den Flughafen in Eigenregie auszubauen und bis einschließlich 2012 weiterzuführen, wenn vorher kein privater Investor gefunden wird.

Erhalt der Universität Lübeck

Extrem ausdauernd engagiert haben sich die Lübeckerinnen und Lübecker auch beim Thema Universität gezeigt: Nachdem Pläne der Landesregierung bekannt wurden, die Medizinerausbildung an der hiesigen Universität auslaufen zu lassen, zeigten sich die Hansestädter solidarisch mit „ihrer“ Universität. Denn allen war bewusst, dass die Schließung der Medizinerausbildung das Aus für die gesamte Universität bedeutet hätte. Die gelben Protestplakate „Lübeck kämpft für seine Uni“ prägten fortan das Stadtbild, prangten an unzähligen Autoheckscheiben und Fahrradkörben, leuchteten von zahllosen Wohnzimmerfenstern, und sogar das Holstentor zeigte ein gelbes Banner, stellvertretend als Symbol für den Widerstand einer ganzen Stadt gegen die Pläne der Landesregierung. Große Unterstützung kam aus der Wirtschaft, den Kirchen, Verbänden und aus der Politik. Anlass genug, dass die Bürgerschaft zu einer Sondersitzung mit einem einzigen Tagesordnung zusammen kam: „Rettet die Universität zu Lübeck“ Zum ersten Mal seit 867 Jahren tagte die Lübecker Bürgerschaft dazu nicht im Lübecker Rathaus. Stattdessen fand die Bürgerschaftssitzung am 11. Juni unter freien Himmel vor dem Landeshaus in Kiel statt. Am 16. Juni sah die Landeshauptstadt dann mit über 14.000 Teilnehmern die größte Demonstration des Landes; aus allen Landesteilen kamen die Menschen nach Kiel, um gegen die Pläne der Landesregierung zur Schließung der Lübecker Universität zu protestieren.

Der Protest hatte letztlich Erfolg: Am 12. Juli teilte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen mit, dass die Landesregierung darauf verzichtet, die Medizinische Fakultät der Universität zu Lübeck zu schließen und den Studiengang Humanmedizin einzustellen. Am darauffolgenden Tag übergab eine Lübecker Delegation unter der Führung des AStA und des Universitätspräsidenten die sagenhafte Zahl von 130.344 Unterschriften zum Erhalt der Universität an den Ministerpräsidenten. Die Unterstützung für unsere Universität kam aus der ganzen Welt. Das zeigt ihre hohe Reputation und Exzellenz in Lehre und Forschung. Diese dramatischen Wochen werden wir alle so schnell nicht vergessen. Bemerkenswert war hierbei aber auch, wie eine ganze Stadt über alle Grenzen hinweg zusammen rückte. Unser besonderer Dank gilt den Studierenden, die mit ihrem unermüdlichen und kreativen Einsatz ein Stück der Zukunft dieser Stadt gerettet haben.

Lübeck – Stadt der Wissenschaft

Der bundesweit wahrnehmbare Bürgersinn während des rund achtwöchigen Protestes gegen die Schließung der Uni ist letztlich auch in Lübecks erneute Bewerbung beim bundesweiten Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft 2012“ eingeflossen. Denn die Protestbewegung hat gezeigt: Lübeck ist schon jetzt Stadt der Wissenschaften. Der erste Schritt ist bereits erfolgt: vor rund einem Monat nominierte der Stifterverband neben Halle und Regensburg auch Lübeck für das Finale um den Titel „Stadt der Wissenschaft 2012“. Jetzt gilt es, ein Projekt aus der Bewerbung umzusetzen, bevor Ende März 2011 die Entscheidung fällt.

Kommt der Titel nach Lübeck, wird es 2012 vielfältige Begegnungen von „Humboldt trifft Hanse“ in Lübeck geben, an vielfältigen Orten, in vielfältigen Aktionen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. „Humboldt trifft Hanse“ soll die Bühne erobern, ins Kino kommen, am oder auf dem Meer stattfinden oder in den Schulen. Wenn Studierende mit Botschaften für die Bildung in die Klassenzimmer stürmen und über die Bedeutung guter Studienbedingungen informieren, entspricht das auch „Hanse trifft Humboldt“ – als eine Variante.

Kulturelle Höhepunkte

Auch kulturell hatte Lübeck in diesem Jahr viel zu bieten: Zu den Highlights zählen die Natalja Gontscharowa-Ausstellung in der Kunsthalle, die Doppelausstellung Karl Schmidt-Rottluff „Ostseebilder“ im Museum Behnhaus Drägerhaus und der Kunsthalle St. Annen sowie die Carl-Friedrich von Rumohr-Ausstellung „Kunst, Küche und Kalkül“ im Behnhaus. Alle drei Ausstellungen verzeichneten ein großes Publikumsinteresse und erregten bundesweites Aufsehen. Lübeck als Kulturstadt hat eben eine außerordentliche Anziehungskraft.

Das Hansemuseum nimmt dank der in Aussicht gestellten Förderung vom Land und der großzügigen Unterstützung der Possehl-Stiftung langsam Form an. Das erforderliche Grundstück ist gekauft. Nun geht es in die Planungs- und Realisierungsphase und wird eines Tages zusammen mit dem Kulturforum Burgkloster ein Museumsensemble bilden, das dort entsteht, wo der Aufstieg Lübecks als Haupt der Hanse zur Wirtschaftsmacht des frühen Mittelalters begann.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

wir leben in einer Zeit, die uns vor große Herausforderungen stellt und gemeinsames Handeln erfordert. Gerade deshalb sollten wir jetzt optimistisch nach vorne schauen und uns gemeinsam auf unsere Kräfte konzentrieren, damit wir im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger die Hansestadt Lübeck weiterentwickeln, aber auch lebens- und liebenswert erhalten.

Wir wollen deshalb an dieser Stelle auch an jene Mitbürgerinnen und Mitbürger denken, die jetzt nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, unser Mitgefühl oder unsere Unterstützung brauchen. Wir müssen auch in Zukunft immer danach streben, sie nicht zu vergessen, sondern daran arbeiten, sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen und in unsere Mitte zu nehmen. Das hat in Lübeck dank des vielfältigen bürgerschaftlichen Engagements - ob in Vereinen, Verbänden und Stiftungen oder als Einzelperson - eine große Tradition, auf die wir immer wieder stolz sein können.

Verbunden mit dem herzlichen Dank für das großartige, insbesondere auch ehrenamtliche Engagement zahlreicher Bürgerinnen und Bürger im zurückliegenden Jahr wünschen wir Ihnen, unserer Stadt und allen Menschen, denen unsere Stadt am Herzen liegt, ein glückliches, erfolgreiches und vor allem gesundes Jahr 2011.

Gabriele Schopenhauer Bernd Saxe

Stadtpräsidentin Bürgermeister

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