Veröffentlicht am 11.06.2010

Ganz Lübeck kämpft für den Erhalt seiner Universität

Bürgerschaft tagt erstmals unter freiem Himmel – Appell an Landesregierung

Gelb ist die dominierende Farbe am heutigen Freitagmittag vor dem Kieler Landtag gewesen: Rund 300 Studierende der Humanmedizin der Universität zu Lübeck tragen dieses Gelb mit dem kämpferischen Ausdruck „Lübeck kämpft für seine Uni“ und auch etliche der 51 anwesenden Bürgerschaftsmitglieder tragen Gelb – zumindest als Sticker und der klaren Aussage „Ich kämpfe für unser UKSH Lübeck“. Es ist im Wortsinn ein historischer Tag für Lübeck, für die Lübeckerinnen und Lübecker und für die Menschen des südlichen Schleswig-Holstein: Erstmals seit Gründung der Stadt Lübeck im Jahr 1143 tagt ein Gremium außerhalb der Stadtgrenzen. Die Lübecker Bürgerschaft hat bei dieser Sondersitzung in Kiel nur einen einzigen Tagesordnungspunkt zu behandeln: Den Appell an die Landesregierung zum Erhalt der Universität zu Lübeck.

Wie bei jeder ordentlichen Sitzung der Bürgervertretung hat auch dieser Appell eine ordnungsgemäße Drucksachen-Nummer bekommen: 546. Nach rund eineinhalb Stunden Debatte, bei der sowohl Stadtpräsidentin Gabriele Schopenhauer, Bürgermeister Bernd Saxe, Sprecher der in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen als auch Uni-Präsident Professor Peter Dominiak als sachkundiger Experte in teils sehr emotionalen Reden die Landesregierung eindringlich auffordern, den Uni-Sparbeschluss zurückzunehmen, wird der Appell erwartungsgemäß einstimmig verabschiedet.

Es ist Bürgermeister Saxe, der an die historische Bedeutung des heutigen Tages zu Beginn seiner Rede erinnert: „Zum ersten Mal seit Menschengedenken tagt die Bürgerschaft außerhalb Lübecks. Und erstmals auch unter freiem Himmel!“ Er würdigt namentlich Werner Kalinka von der CDU-Fraktion des Kieler Landtages, weil dieser seine eigene Meinung habe und diese auch vertreten wolle. „Respekt für diese eigene Meinung!“, so Saxe.

Lübecks Verwaltungschef erinnert daran, dass am Dienstag nach Pfingsten die sogenannte Strukturkommission die Ergebnisse ihrer Sparbemühungen vorgelegt habe. Noch am Freitag zuvor, als Saxe beim Kamingespräch bei Peter-Harry Carstensen war, habe er angenommen, „vorab zu erfahren, was herausgekommen ist. Das kam aber nicht!“ Während dieses Kamingespräches habe Saxe zum Ministerpräsidenten gesagt: „Wenn die Landesregierung die Axt an die Uni legt, dann wird die gesamte Region wie eine Frau, wie ein Mann dagegen angehen!“ Dass es jetzt soweit sei, zeige sich heute eindrucksvoll, sagte Saxe unter dem Jubel der rund 400 Teilnehmer dieser Sondersitzung.

Dass der Protest flächendeckend sei, könne man in der Hansestadt „in jedem mindestens zweiten Fenster sehen. Da hängen die schönen gelben Plakate ‚Lübeck kämpft für seine Uni’ und das heißt immer auch, ‚Lübeck kämpft für sein Universitätsklinikum’“.

Saxe verdeutlichte, dass „wir die Uni nicht nur erhalten wollen. Wir wollen sie weiterentwickeln! Diese kleine, aber feine Uni ist eine der besten in Deutschland. Sie ist Spitze in der Lehre. Sie liegt bei den Rankings im Vergleich der Lehre auf Platz 1. Es ist für mich ein Unding, dann die Uni platt machen zu wollen! Es ist ein Unding! Wir appellieren an die Landesregierung, die Uni zu erhalten!“

Abschließend sagte Lübecks Bürgermeister: „Die unterste Grenze unserer Forderungen ist der Erhalt der Medizinerausbildung und des Krankenhauses! Sollte Carstensen denken, er könne uns das abverhandeln, dann kann er sich das abschminken!“

Auch Professor Dominiak fand deutliche Worte: „Wir kämpfen für unsere Uni und nicht gegen jemanden anders!“ Schon jetzt seien die entstandenen Schäden groß, die durch diesen Sparbeschluss ausgelöst wurden: Es sei bagatellisierend, wenn es heiße, es würde nur ein Studiengang abgewickelt: „Wenn man die Medizin schließt, dann eben auch große Teile des Klinikums! Wer das tut, der macht tatsächlich die Uni platt! So einfach muss man das ausdrücken!“

Dominiak betonte, dass die Uni jährlich rund 25 Mio. € an Drittmitteln einwerbe. Der Schaden einer Schließung der Uni bliebe nicht auf Lübeck beschränkt, da Lübeck eines von vier Medizinclustern in Deutschland sei, wovon wiederum Lübeck einen Gesamtanteil von rund 40 Prozent habe. Auch EU-Projekte, in der Größenordnung von rund elf Mio. €, gingen verloren! Und ganz wichtig: „Auch die anderen drei Studiengänge hängen eng mit der Medizin zusammen und würden weg brechen. Es blieben 500 Studenten der Informatik und das wäre dann keine Uni mehr!“, sagte der Professor unter dem donnernden Applaus seiner Studenten.

Auch die Wirtschaft nähme Schaden: Etwa 600 Unternehmen aus dem medizinischen Bereich hätten sich in Lübeck angesiedelt, weil hier diese Uni ist. Viele dieser „5- bis 10-Mann/Frau-Betriebe gehen kaputt, wenn die Uni schließt“, warnte Dominiak.

Aber auch der Schaden für die Krankenversorgung sei enorm: Denn dann gäbe es selbstverständlich auch nicht mehr das jetzige Krankenhaus der Maximalversorgung. Schlimmer noch: „Dann gibt es keine Maximalversorgung mehr im südschleswig-holsteinischen Bereich. Die Menschen gehen nicht nach Kiel, die gehen nach Hamburg, weil das näher ist. Selbst dieses Geld geht uns dann verloren!“, so Dominiak. Man hätte sich vorher Gedanken machen müssen und nicht jetzt! Für ihn sei es selbstverständlich, dass gespart werden müsse, aber so nicht! Abschließend appellierte er an die Studenten, am kommenden Mittwoch, 16. Juni 2010, zur Demo nach Kiel zu kommen.

Im Anschluss daran sprachen sich Ingo Hoffmann für die SPD, Rowita Kaske (CDU), Susanne Hilbrecht (Grüne), Antje Jansen (Die Linke) sowie Dr. Raimund Mildner (BfL) für den Erhalt der Uni zu Lübeck aus. +++