Veröffentlicht am 01.04.2010

Saxe fordert spürbare finanzielle Entlastungen für Kommunen

Entlastungsfonds für Kommunen, Neuregelung Gewerbesteuer und Haushaltsnotlagenrecht für Gebietskörperschaften

Eine spürbare finanzielle Entlastung der Kommunen und die Einführung eines Haushaltsnotlagenrechts für Gebietskörperschaften forderte Bürgermeister Bernd Saxe von Bund und Land in der gestrigen Radiosendung „Redezeit“ des NDR Info. Experten diskutierten rund eine Stunde live über das Thema „In der Schuldenklemme - Wie kommen die deutschen Städte und Gemeinden aus der Finanzkrise?“.

Saxe: „Die Finanznot der Kommunen ist dramatisch. Weitere Ausgabenprogramme werden beschlossen, die aber niemand mehr bezahlen kann. Die kommunale Selbstverwaltung ist ernsthaft bedroht, wenn nicht umgesteuert wird. Wir brauchen deshalb einen Schuldenentlastungsfonds für die Kommunen, und ernsthaft sollte die Einführung eines Haushaltsnotlagenrechts für Kommunen geprüft werden.“ Der Schuldenentlastungsfonds soll einen Beitrag zur Entschuldung der Kommunen leisten. „Die Kommunen brauchen wieder Luft zum Atmen, um ihren Aufgaben nachkommen und ihre Investitionsfähigkeit erhalten zu können. Ohne eine spürbare Entlastung ist auch die Schuldenbremse nicht zu schaffen, die ab 2020 auch für die Kommunen gelten wird,“ so Saxe. Die Einführung eines Haushaltsnotlagenrechts für Gebietskörperschaften soll nach den Worten von Saxe parallel helfen, die Schuldenspirale durch immer neue politisch motivierte Ausgabenprogramme zu durchbrechen. Saxe: „Da muss zunächst klar definiert sein, wann bei einer Kommune vergleichbar einer Insolvenz die Haushaltsnotlage gegeben ist und welche Maßnahmen die Folge sind, wie zum Beispiel der Stopp von Ausgabenprogrammen, die Aufstellung, Durchsetzung und Umsetzung eines Sanierungsplans.“

Laut Lübecks Bürgermeister sind die Kommunen zum aller größten Teil nicht erst durch die Weltfinanzkrise in die Finanznot geraten. In den vergangenen Jahren haben Bund und Land die Kommunen immer weiter geschröpft und zusätzliche Aufgaben auf diese übertragen, ohne dafür die notwendigen Finanzmittel bereit zu stellen. Seit 2007 hat das Land Schleswig-Holstein beispielsweise insgesamt 480 Millionen Euro den Kommunen aus dem Kommunalen Finanzausgleich weg genommen, ohne dafür eine adäquate Kompensation zur Entlastung der Kommunen zu leisten. Gleichzeitig hat der Bund seinen Anteil an den Unterkunftskosten für Hartz IV-Empfänger reduziert, den Ausbau der Kinderbetreuung und Ganztagsschulen festgeschrieben, und nebenbei werde mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz und Plänen zur weiteren Steuersenkung die Lage der Kommunen weiter verschärft.

An einer zügigen Neuregelung und Verstetigung der kommunalen Einnahmebasis führt nach Ansicht von Saxe ebenfalls kein Weg vorbei. Die Gewerbesteuer in der jetzigen Form ist als wichtigste Einnahmequelle der Kommune zu schwankend, um darauf eine verlässliche Finanzplanung aufbauen zu können. Durch die Weltfinanzkrise hat die Hansestadt Lübeck seit dem Jahr 2008 knapp 40 Prozent seines Gewerbesteuer-aufkommens verloren, ohne die Chance zu haben, gegensteuern zu können.

„Wir brauchen darüber hinaus strengere und rechtlich einklagbare Maßstäbe, wann der Konnexitätsfall vorliegt, das heißt wann Land und Bund bei der Übertragung von Aufgaben an die Kommunen diese mit den entsprechenden Finanzmitteln auszustatten haben. Dann entfällt der Anreiz für Bund und Länder, den Kommunen immer neue Aufgaben ohne ausreichende Finanzausstattung aufzubürden,“ so Saxe.

Noch ein weiteres Thema ist nach Auffassung von Saxe zügig anzupacken: die Schaffung eines Pensionentlastungsfonds. Die Pensionen der Beamtinnen und Beamten wurden in der Vergangenheit immer aus dem laufenden Haushalt gezahlt. Seit der Einführung des doppischen Haushalts ist die Hansestadt Lübeck gezwungen, hierfür Rückstellungen in einer Größenordnung von bislang 322 Millionen Euro zu bilden. Der Betrag steigt in den kommenden Jahren auf 340 Millionen Euro (2025) an. Saxe: „Hier müssen wir ran, weil die Pensionsaufwendungen in den nächsten Jahren kontinuierlich steigen werden. Das ist ein Thema für alle Kommunen, die auf Doppik umstellen.“

Der erste doppische Haushalt der Hansestadt Lübeck weist ein geplantes Jahresdefizit für das Jahr 2010 von 123 Millionen Euro aus, bei einer städtischen Gesamtverschuldung einschließlich Eigenbetriebe, Sondervermögen und Beteiligungsgesellschaften von 1,25 Milliarden Euro.

Zu Gast bei NDR Info waren neben Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe der Sozial-ökonom und Volkswirt am Institut für Urbanistik, Jens Libbe, sowie der Institutsdirektor des Instituts für Öffentliche Finanzen und Public Management an der Universität Leipzig, Prof. Dr. Thomas Lenk. Hörer konnten telefonisch Fragen an die Experten stellen.+++