“Ein Dank der Hansestadt für große Verdienste”

Veröffentlicht am 27.11.2002

“Ein Dank der Hansestadt für große Verdienste”

“Ein Dank der Hansestadt für große Verdienste”

020913R 2002-11-26

Rede von Bürgermeister Bernd Saxe zur Verleihung der Goldenen Ehrengedenkmünze “Bene Merenti” an Bürgermeister a. D. Dr. Gustav-Robert Knüppel am 26. November 2002, 19 Uhr, Audienzsaal, Rathaus Lübeck


(Anrede)...


“Wenn wir nun daran gehen, den 226. Bürgermeister der Hansestadt Lübeck für seine Verdienste um diese Stadt zu ehren, dann geht es ausdrücklich nicht darum, diejenigen Leistungen und Erfolge hervorzuheben, die Dr. Gustav-Robert Knüppel in seiner Zeit als Stadtoberhaupt zu verzeichnen hatte. Dafür ist er schon reichlich geehrt worden - ich nenne das Bundesverdienstkreuz, die Ehrenplakette des Senats der Hansestadt Lübeck, die Freiherr-vom-Stein-Gedenkmünze.


Nein, es geht heute ausdrücklich um die Verdienste, die Gustav-Robert Knüppel sich in der Zeit nach oder seit seinem Ausscheiden aus dem genannten Amt erworben hat. Und daß auch derer genügend sind, davon will ich Sie - gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Possehl-Stiftung, Herrn Dr. Pfeiffer, den ich herzlich begrüße und der nach mir spricht, und dem Vorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Herrn Prof. Dr. Kiesow, den ich ebenfalls herzlich willkommen heiße und der im Anschluß zu Wort kommt - gern überzeugen, auch wenn diese Überzeugungsarbeit vermutlich gar nicht erforderlich wäre.


Lassen Sie mich aber zunächst kurz einen Blick auf den Lebensweg des zu ehrenden werfen: Geboren am 27. März 1931 in - ich mag es gar nicht sagen - in Kiel, wo er zunächst die “Kieler Gelehrtenschule”, ein humanistisches Gymnasium, besuchte, studierte er Wirtschaftswissenschaften und errang bereits mit 25 Jahren den Doktorhut. Seine erste berufliche Verwendung fand er zunächst in einem Amt, bei dessen Nennung uns allen vermutlich nicht gerade Begriffe wie Kreativität, Phantasie oder Gestaltung in den Sinn kommen: Beim Statistischen Landesamt. Vielleicht aber resultierte aus dieser Tätigkeit das, was auf seinem weiteren Lebensweg manche immer wieder tief beeindruckte: Eine schier unglaubliche Merkfähigkeit für Zahlen und Daten - noch heute, fast fünfzehn Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Amt als Bürgermeister unserer Stadt, vermag er manche Daten der Haushalte der Hansestadt Lübeck aus seiner Zeit scheinbar ohne Nachdenken aus dem Kopf herzusagen - beneidenswert, kann ich da in meiner jetzigen Funktion nur sagen.


Bald verschlug es ihn nach Lübeck, in die Kommunalverwaltung. Nach einem 18monatigen Schnupperkurs durch sämtliche städtischen Ämter und Behörden wurde er 1960 - im Alter von 29 Jahren - Leiter des Amtes für Statistik und Wahlen. Ein beeindruckender Karrieresprung, der - wie manche der folgenden - nicht nur ihn selbst überraschte und viele beeindruckte.


Unerwartet für ihn selbst, wie er einmal sagte, wurde er nur acht Jahre später, mit 37 Jahren, zum Finanzsenator der Hansestadt Lübeck bestimmt. Weitere acht Jahre später wurde er dann zum 226. Bürgermeister der Hansestadt Lübeck gewählt, ein Amt, in dem er zwölf erfolgreiche Jahre wirken sollte.


Niemanden hier im Raum wird es verwundern, daß einer, der aus Kiel kam, sich schnell in unsere Stadt verliebte. In eine Stadt, die - wie er selbst es ausdrückte - , “durch den einzigartigen Zusammenklang landschaftlicher, städtebaulicher und kultureller Elemente eine ungeahnte Harmonie ausstrahlt.” Durch die Wahl zum Bürgermeister wurde Dr. Gustav-Robert Knüppel zum Obersten Denkmalpfleger der Hansestadt Lübeck, eine Aufgabe, der er sich sofort mit großer Leidenschaft und vollem Engagement annahm und die ihn bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt 1988 und darüber hinaus nicht wieder losließ, ja, die zu seinem Lebensthema geworden ist, bis heute hin.


In einem Interview in den Lübecker Nachrichten machte er einmal klar, daß Denkmalschutz und Denkmalpflege für ihn mehr ist als das Erhalten historischer Bausubstanz, daß es vielmehr auch darum geht, den Menschen Orientierung zu geben in einer so orientierungslos gewordenen Welt. Ich zitiere: “Wer die unvergleichliche Stadtsilhouette mit ihren sieben Türmen gesehen hat und beim Gang durch die Straßen der Stadt gespürt hat, daß die architektonische Stadtpersönlichkeit Lübecks die Attribute einer lebendigen Großstadt und die eines städtebaulichen Kulturdenkmals vom Range Venedigs oder Florenz in sich vereint, der versteht, daß die Lübecker Stadtbaukunst in ihrer individuellen Einheit und Geschlossenheit über alle Zeiten hinaus ein stolzes Selbstbewußtsein und ein Gefühl der Sicherheit erleben läßt. Das Stadtbild (...) bietet seinen Bürgern und Besuchern ein Stück Heimat, ein Stück Beschaulichkeit, das (...) Orientierungswerte setzt, das anziehend und menschlich wirkt.” Zitatende.


Diese Altstadt, die uns Orientierung und Identifikation bietet, die uns Heimat ist, zu erhalten, das ist das Lebenswerk von Gustav-Robert Knüppel seit vielen Jahrzehnten und weit über seine Zeit als Bürgermeister unserer Stadt hinaus. Im Jahre 1988 - ich habe es erwähnt - schied Dr. Knüppel aus dem Amt. Welch schöne Krönung seines Wirkens, daß die Lübecker Altstadt wenige Monate zuvor auf sein engagiertes und schier unermüdliches - übrigens auch trickreiches - Betreiben hin den Adelstitel des Denkmalschutzes zugeschrieben bekam: Die Eintragung in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbe-Städte, auf einer Stufe mit den Pyramiden von Gizeh, den Tempeln von Angkar Wat in Kambodscha, dem Taj Mahal in Indien und der Chinesischen Mauer. Diese Eintragung, die uns so unglaublich wertvoll ist, die uns sehr stolz macht, hat die Hansestadt Lübeck Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Knüppel, zu verdanken.


Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt war der zu Ehrende selbstverständlich noch zu jung fürs Altenteil. Und das gilt, wie man sieht, bis heute. Er engagierte sich zunächst als Stellvertretender, später als Vorsitzender der Possehl-Stiftung - dieser Einrichtung, deren Wirken über viele Jahrzehnte so segensreich für die Hansestadt Lübeck war und - wie man sieht - bis heute ist. Kein Wunder, daß Knüppel auch hier den Schwerpunkt der Förderung der Altstadterneuerung rasch und deutlich verstärkte. Er hat viele Projekte begleitet und vorangetrieben, von denen jedes einzelne geeignet war und ist, den Charakter Lübecks als Weltkulturerbestadt, als Königin der Hanse, als Kulturhauptstadt des Nordens zu unterstreichen. Genannt seien hier - nur beispielhaft, ich will auch den Nachrednern noch Raum und Zeit lassen -: die Sanierung der beiden Kirchtüre des Doms, die Sanierung des Mantels-Saales in der Stadtbibliothek und dessen Umgestaltung zu einem attraktiven Bibliothekssaal, die herrliche Sanierung des Stadttheaters, insbesondere der Jugendstildecke im großen Haus, die Restaurierung der Pfeiler-Malerei in St. Jakobi, die Umgestaltung des Buddenbrook-Hauses, das im letzten Jahr vom Europarat zum Europäischen Museum des Jahres 2001 erklärt wurde, die Sanierung der Eschenburg-Villa, die jetzt in gebührender Weise dem Brahms-Institut eine Heimstatt gibt, und - zuletzt in dieser kleinen, beispielhaften Aufzählung - das Projekt der Realisierung einer Kunsthalle St. Annen, das die Possehl-Gruppe anläßlich ihres 150jährigen Bestehens auf den Weg gebracht hat und dessen Einweihung wir im nächsten Jahr feiern dürfen.


Aber nicht nur um das Weltkulturerbe hat sich Dr. Knüppel große Verdienst erworben. In seiner Zeit als Vorsitzender der Possehl-Stiftung hat er den Stiftungszweck in seiner ganzen Breite und Vielfalt zur Wirkung kommen lassen, wie die Stiftung dies bis heute hin tut; erwähnt seien aus seiner Zeit - wieder nur beispielhaft - Stiftungsprofessuren für die Musikhochschule, die Zuschüsse für die freie Theaterszene und die vielfältige Unterstützung von Sozial- und Jugendprojekten.


Nicht unerwähnt bleiben dürfen auch seine Verdienste in anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten. So als Vorsitzender des St.-Petri-Bauvereines, der mit für die Turmsanierung und die Vorplatzgestaltung verantwortlich zeichnet und so beigetragen hat, St. Petri der Nachwelt als Stadtkirche und attraktive kulturelle Begegnungsstätte zu erhalten. Auch als langjähriger Vorsitzender des Fördervereins Museum Burgkloster hat sein Wirken Spuren hinterlassen; durch seine Arbeit gelang es, die Klosteranlage als Kulturforum zu revitalisieren.


Seit April 1992 bekleidet Dr. Gustav-Robert Knüppel das Amt des Geschäftsführers der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Auch in dieser Funktion hat er die Hansestadt selbstverständlich nicht aus den Augen verloren, obwohl er nun nicht mehr ausschließlich für Lübeck zuständig war und in seiner Tätigkeit auch Grundsätze von Gerechtigkeit, Gleichmäßigkeit und Unparteilichkeit an den Tag legen mußte. Trotzdem hat er auch in diesem Amt sehr viel für die Hansestadt Lübeck tun können: Die Aufstellung eines Denkmalplans für die Hansestadt Lübeck wurde nicht nur von der Possehl-Stiftung, sondern auch von der Deutschen Stiftung maßgeblich gefördert.


Die Rettung von Schloß Rantzau vor dem Verfall ist Dr. Knüppel und der Deutschen Stiftung zu verdanken. Hier gelang es - wenn mir diese etwas saloppe Ausdrucksweise gestattet ist - gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz übernimmt dieses reizvolle architektonische Kleinod, das letzte erhaltene Kuriengebäude der Stadt, und saniert es. Hierzu wäre die Stadt in Anbetracht ihrer Finanzlage allein nicht in der Lage gewesen, schon dafür gebührt der Stiftung Dank. Zugleich aber wird das sanierte Gebäude dem Schleswig-Holstein Musik Festival als neue Heimat dienen und ihm so den dauerhaften Verbleib in unserer Stadt ermöglichen.


Die Ausstellung “Gebrannte Größe - Wege zur Bachsteingotik” ist eines der jüngsten Zeugnisse des Wirkens von Gustav-Robert Knüppel. Durch die Einbindung Lübecks und seines Wahrzeichens, des Holstentores, in diese Ausstellung an mehreren Standorten, wurden zugleich Mittel frei für die neue Innenraumgestaltung dieses Bauwerks. Daß die Ausstellung selbst ein vielbeachtetes kulturelles Highlight wurde, versteht sich fast von selbst.


Zu guter Letzt möchte ich an dieser Stelle - zugleich im Namen des inzwischen ausgeschiedenen Kultursenators der Hansestadt, Ulrich Meyenborg - herzlich danken für die unkomplizierte und wirkungsvolle Unterstützung bei der Konzipierung und Realisierung eines weiteren wichtigen Projektes für unsere Stadt, der Sanierung des Gebäudes Königstr. 21. Hier soll das Leben und Wirken des Lübecker Ehrenbürgers, ehemaligen Bundeskanzlers und Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt dargestellt und wissenschaftlich bearbeitet werden. Auch dieses Vorhaben wäre ohne Ihre tatkräftige Mitwirkung, Herr Dr. Knüppel, nicht realisierbar gewesen.


Meine Damen und Herren, für seine großen Verdienst um die Hansestadt Lübeck möchte ich nun Herrn Dr. Gustav-Robert Knüppel mit der Goldenen Ehrengedenkmünze Bene Merenti auszeichnen. Mit dem Bene Merenti würdigt die Stadt die Verdienste von Persönlichkeiten, die sich durch herausragende Leistungen in und für Lübeck “wohlverdient” gemacht haben - wie es der Titel “Bene Merenti”, dem Wohlverdienten, aussagt.


Seit der Schaffung dieser Auszeichnung im Jahre 1835 wurde sie erst 53 Mal vergeben, seit 1949 erst acht Mal. Herr Dr. Knüppel, das sei nur am Rande erwähnt, hat in seiner Amtszeit im Jahr 1982 den ehemaligen Minister und Stadtpräsidenten der Hansestadt, Gerhard Gaul, mit dieser Auszeichnung geehrt.


In der mehr als 167jährigen Geschichte des Bene Merenti wurden bislang 19 Bürgermeister oder ehemalige Bürgermeister geehrt. Dr. Knüppel ist der Zwanzigste. In der Liste der vorherigen finden sich eine Reihe wohlbekannter Namen, deren Wirken in unserer Stadt ebenfalls Spuren hinterlassen hat, die bis heute nachwirken: Der frühe Vorreiter einer Stadtdenkmalpflege, Carl-Ludwig Roeck, der vielgeachtete Diplomat, Jurist und Historiker seiner Vaterstadt, Heinrich Brehmer. Theodor Curtius, Bruder des Ernst Curtius, bedeutender Archäologe und Ausgrabungsleiter des alten Olympia. Er war der Wegbereiter der Olympischen Spiele der Neuzeit! (Wenn man's also mal richtig sieht, meine Damen und Herren, dann kehren die Olympischen Spiele im Jahre 2012 nur Heim, wenn Sie in Lübeck-Travemünde stattfinden.) Johann Georg und Johann Hermann Eschenburg, die in unvergleichlicher Weise den Kaufmann im Bürgermeister verkörperten. Emil Ferdinand Fehling, Schöpfer der lübschen Verfassung, und der von Ihnen, Herr Dr. Knüppel, sehr geschätzte Otto Passarge, gelernter Maurerpolier, erster Bürgermeister nach dem Krieg und großer Macher und Gestalter der Wiederaufbaujahre, der es geschafft hat, mehr als 100 000 Flüchtlinge in unsere Stadt zu integrieren, ihnen Wohnung, Arbeit und Brot zu geben. Passarge war seit 1949 und bis heute hin übrigens der erste Bürgermeister, der mit dem Bene Merenti ausgezeichnet wurde.


Sehr geehrter Herr Dr. Knüppel, nehmen Sie bitte diese Auszeichnung als herzlichen Dank Ihrer Hansestadt für die großen Verdienste, die Sie sich um unsere Stadt, um den Erhalt des Weltkulturerbes, um die Kulturstadt Lübeck erworben haben.” +++