Stadtbibliothek Lübeck stellte zwei neue Veröffentlichungen vor

Veröffentlicht am 29.05.2000

Stadtbibliothek Lübeck stellte zwei neue Veröffentlichungen vor

Stadtbibliothek Lübeck stellte zwei neue Veröffentlichungen vor

000432L 2000-05-29

Am Montag, 29. Mai, hat die Stadtbibliothek Lübeck zusammen mit dem Verein der Freunde der Stadtbibliothek e. V. zwei neue Drucksachen vorgestellt, die in der Veröffentlichungsreihe der Stadtbibliothek erschienen sind.

Da ist zunächst Andrea Mielkes “Bennata Otten. Leiterin der Bücherhalle Lübeck 1906 - 1923. Eine der ersten Direktorinnen einer Öffentlichen Bibliothek in Deutschland”; Bibliothek der Hansestadt Lübeck 2000; 224 Seiten mit Abbildungen.

Das zweite Heft trägt den Titel “Leben und Arbeit des Künstlers Ervin Bossanyi von 1920 - 1934 in Norddeutschland. Vortrag von Professor Jo Bossanyi im Willy-Pieth-Lesesaal 1998”; Bibliothek der Hansestadt Lübeck; 17 Seiten mit Abbildungen.

Informationen zum Buch über Bennata Otten:


Andrea Mielke, Diplom Bibliothekarin und in der Abteilung Wissenschaftliche Dienste und Projekte, Sammlungen und Alte Bestände der Bibliothek der Hansestadt Lübeck tätig, hatte in ihrer Diplomarbeit das Leben und berufliche Wirken von Bennata Otten (1882 -1955) untersucht. Da es über diese Pionierin sowohl in der kulturellen Breitenarbeit als auch auf dem Felde leitender beruflicher Tätigkeit von Frauen noch keine Veröffentlichung gab, stellte der Vorstand der Gruppe Lübeck des Deutschen Verbands Frau und Kultur unter seiner Ersten Vorsitzenden Gundel Granow die finanzielle Basis bereit, um diese gekürzte Fassung der Arbeit von Andrea Mielke erscheinen zu lassen.

Bennata Otten hatte als erste fachlich ausgebildete und hauptamtliche Leiterin die ursprünglich von der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit gegründete Volksbibliothek zu einer Einrichtung gemacht, die zum Kreise der führenden öffentlichen Bibliotheken Deutschlands vor dem Ersten Wettkrieg gehörte. Sie veröffentlichte einen Bibliothekstechnischen Ratgeber und das erste Handbuch städtischer Öffentlicher Bibliotheken in Deutschland - beides Werke, die über ein Jahrzehnt aktuell blieben. In der fachlichen Diskussion, dem sogenannten “Richtungsstreit” zwischen den Polen “volkspädagogische Einrichtung” und “Literaturversorgung für den mündigen Bürger”, nahm sie eine vermittelnde Stellung ein. Ihre pragmatische Grundhaltung machte sie jedoch zu einer Pionierin der heute üblichen frei zugänglichen Aufstellung der Bestände.

Wenn das 1913 geplante Lübecker Kaiser-Wilhelm-Volkshaus mit den vorgesehenen Bibliotheksräumen verwirklicht worden wäre, hätte Lübeck nach Hamburg die zweite große “Freihandbibliothek” im Norden gehabt. Die Übernahme der Bücherhalle durch den Lübeckischen Staat und ihre Unterstellung unter den Direktor der Stadtbibliothek, Dr. Willy Pieth, im Jahre 1923 führte zum Ausscheiden Bennata Ottens aus dem Dienst. Sie führte danach als Selbständige die Firma Kontor-Reform, in der sie - teilweise von ihr selbst entwickelte - Büro-Organisationsmittel vertrieb.

Hinweise zum Abdruck des Vortrags von J. Bossanyi

Jo Bossanyi, der Sohn des aus Deutschland emigrierten Künstlers ungarisch jüdischer Herkunft, wuchs bei seinen Eltern in England auf. Dort erlangte er eine naturwissenschaftliche Professur. Jo Bossanyi lebt seit langem in Oxford. Er beschäftigte sich mit der künstlerischen Laufbahn seines Vaters genau. Sicher ist ihm die spätere Zeit besonders gut erinnerlich. Zum späteren Lebensabschnitt in England gehörte vor allem die sehr erfolgreiche und anerkannte Tätigkeit des Künstlers als Glasmaler und Glasfenstergestalter in bedeutenden Gotteshäusern, unter anderem in der Kathedrale von Canterbury.

Bossannyi erreichte auf diesem Feld internationale Anerkennung. Sein künstlerisches Schaffen, etwa in Lübeck, umfasste aber Bilder, Plastiken, Fresken wie die im Lesesaal der Stadtbibliothek Lübeck von 1926, die von den Nationalsozialisten braun übertüncht und als “entartet” abqualifiziert, später jedoch wieder freigelegt wurden, aber auch Kunst am Bau sowie kunstgewerbliche Gegenstände verschiedener Art.

Der Vortrag von Prof. Jo Bossanyi im historischen Lesesaal zu Leben und Kunst seines Vaters vor etwa zwei Jahren wurde insbesondere deshalb zu einem tief anrührenden Erlebnis, weil das Schicksal der Familie in der NS-Zeit deutlich wurde. Ervin Bossanyis Mutter kam im KZ Auschwitz um. Man braucht wohl nicht näher auszuführen, wie den Künstler und seine Familie dieses Schicksal und das aller von den Nationalsozialisten Verfolgten traf. Dennoch nahm Ervin Bossanyi eine versöhnliche Position ein: Er überlegte, ob er die Zeit und die Kraft fände, die verblaßten Fresken im Lesesaal der Stadtbibliothek wieder aufzufrischen. Das sollte nicht sein. Dafür gab es verschiedene Gründe.

Es ist nachvollziehbar, daß der sehr gut besuchte Vortrag im Lesesaal alle Hörer berührte. Jo Bossanyi zeigte eine lange Serie von Dias, um die Anschaulichkeit herzustellen. In der Broschüre konnten einige wenige typische Kunstwerke abgebildet werden. Der edierte Text des Vortrags erinnert an dieses wichtige Ereignis. +++