Vorlage - VO/2024/12876-01  

Betreff: Antwort auf Anfrage von AM Juleka Schulte-Ostermann (GAL): Überlastete Frauenhäuser in Lübeck
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Pia SteinrückeAktenzeichen:50.84.42
  Bezüglich:
VO/2024/12876
Federführend:2.500 - Soziale Sicherung Bearbeiter/-in: Wiesen, Melanie
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
26.03.2024 
12. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Zur Anfrage von AM Juleka Schulte-Ostermann Nr. VO/2024/12876 im Hauptausschuss am 23.01.2024 Überlastete Frauenhäuser in Lübeck - wird seitens dem Bereich Soziale Sicherung in Zusammenarbeit mit dem Frauenbüro nachfolgend berichtet.


Begründung

Vorbemerkungen:

In der Hansestadt Lübeck bestehen derzeit das Autonome Frauenhaus des Vereins Frauen helfen Frauen e.V. mit einer Anzahl von 47 Plätzen, sowie das Frauenhaus der AWO gGmbH mit 22 Plätzen. Von diesen insgesamt 69 Plätzen werden seit der Reform der Richtlinie zur Förderung von Frauenfacheinrichtungen (Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung - IV GS -  01.11.2021) insgesamt 58 Plätze durch das Land (teilweise) refinanziert. Vor der Reform waren lediglich finanzielle Mittel für 54 Plätze für Lübeck durch das Land zur Verfügung gestellt worden.

Die Anzahl von 58 Plätzen entspricht bei der im gesamten Land Schleswig-Holstein berücksichtigten Platzzahl von 386 einem Anteil von 15 %. Eine vergleichbar hohe Anzahl von Frauenhausplätzen wird vom Land lediglich noch in der Region Pinneberg (Elmshorn, Pinneberg und Wedel) mit insgesamt 58 Plätzen, sowie in der Landeshauptstadt Kiel mit 42 Plätzen berücksichtigt.

 

Die besonders hohe Anzahl an Frauenhausplätzen in Lübeck sowie in der Region Pinneberg erklärt sich durch die räumliche Nähe zur Hansestadt Hamburg. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch Hilfesuchende aus Hamburg und dem Umland sich in diese Regionen orientieren.

 

Am 07.03.2024 wurde in einem Gesprächstermin zwischen der Fachbereichsleitung FB2, dem Bereich Soziale Sicherung, dem Frauenbüro und beiden Frauenhäusern die aktuelle Lage in Lübeck erörtert. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass u. a. die lange Verweildauer in den Frauenhäusern für die hohe Auslastung maßgeblich ist. Es besteht in Lübeck zu wenig Wohnraum für die Frauen und Kinder, die ein Frauenhaus wieder verlassen können.

Es wurden erste strukturelle Lösungsansätze besprochen. Speziell werden schwerpunktmäßig die Themengebiete Wohnraum, Entlastung und Prävention zu betrachten sein. Hierzu wurde ein regelmäßiger Austausch mit den Frauenhäusern vereinbart.

 

Kommunal bestehen über die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel hinaus seit dem Jahr 2022 Budgetverträge für beide Frauenhäuser, welche die Kosten für 8 zusätzliche Frauenhausplätze im autonomen Frauenhaus sowie 3 zusätzliche Plätze im AWO Frauenhaus sicherstellen. Darüber hinaus werden auch Anteile für Miete und Nebenkosten übernommen, welche eine in 2022 vom Land festgelegte Höchstgrenze überschreiten. Mit der kommunalen Berücksichtigung der Kosten wurde das weitere Bestehen der beiden Frauenhäuser seit 2022 sichergestellt.

 

Aktuell, d. h. im Jahr 2024, erhalten die Frauenhäuser kommunale Zuwendungen wie folgt:

 

Autonomes Frauenhaus Budgetierter Betrag für 8 kommunale Frauenhausplätze sowie Mietkosten über der festgelegten Höchstgrenze, in 2024 EUR 298.726,07

AWO Frauenhaus  Budgetierter Betrag für 3 kommunale Frauenhausplätze sowie Mietkosten über der festgelegten Höchstgrenze, in 2024 EUR 64.321,96

 

1) Wie wurde der Schutz der Frauen und ihrer Kinder 2023, die von häuslicher Gewalt betroffen waren und keinen Platz in einem der Lübecker Frauenhäuser erhalten konnten, sichergestellt?

 

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) betrug 2022 die Zahl der registrierten Opfer von Partnerschaftsgewalt in Lübeck 791. Für die Hansestadt Lübeck, die seit Jahren die höchsten Zahlen im Land aufweist, ist das eine Steigerung von 17,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Steigerungsrate für ganz Schleswig-Holstein liegt bei den Opferzahlen bei 7,6 Prozent.

 

Im Jahr 2023 hat das AWO Frauenhaus über den gesamten Zeitraum hinweg insgesamt 51 Frauen und 44 Kinder, somit 95 Personen insgesamt aufgenommen. Diese Belegung entspricht einer Auslastung von 90,97 % der 22 vorhandenen Plätze, von denen 19 Plätze durch das Land Schleswig-Holstein refinanziert, die weiteren drei Plätze aus kommunalen Mitteln der Hansestadt Lübeck sichergestellt werden.

Das autonome Frauenhaus des Vereins Frauen helfen Frauen e.V. hat im Jahr 2023 insgesamt 103 Frauen mit 167 Kindern, somit 270 Personen aufgenommen. Diese Belegung entspricht einer Auslastung von 95,88 % der 47 vorhandenen Plätze, von denen 39 Plätze durch das Land Schleswig-Holstein refinanziert, die weiteren 8 Plätze aus kommunalen Mitteln der Hansestadt Lübeck sichergestellt werden.

Um auf Anfragen gewaltbetroffener Frauen reagieren und ihnen eine Aufnahme im Frauenhaus gewähren zu können, wäre eine Belegungsrate von 75% erforderlich.

 

189 Frauen und 156 Kinder, insgesamt 345 Personen, konnten im AWO Frauenhaus im Jahr 2023 nicht aufgenommen werden, da die Plätze belegt waren, oder weil zusätzliche Probleme der abgelehnten Personen das Leben in dem Frauenhaus ausschließen (z.B. Drogenkonsum, akut psych. Erkrankung, Kindeswohlgefährdung oder ausgeprägte Gefährdung in der Stadt Lübeck).

 

Im autonomen Frauenhaus konnten 281 Frauen mit 259 Kindern, insgesamt somit 540 Personen, nicht aufgenommen werden.

 

Insgesamt mussten im Jahr 2023 daher 470 Frauen mit 415 Kindern, d. h. 885 Personen abgewiesen werden.

 

 

2) Kam es im Fall von Nichtaufnahme schutzsuchender Frauen (und ggf. ihrer Kinder) in den Frauenhäusern 2023 dazu, dass die betroffenen Frauen (ggf. mit Kindern) wieder in ihr Zuhause zu dem Gewalt ausübenden Menschen zurückkehren mussten oder in die Obdachlosigkeit (ggf. Notunterkünfte) ohne Gewaltschutz gerieten? Falls ja: Wie viele Frauen und Kinder waren von einer dieser zwei Konsequenzen aufgrund fehlender Plätze in Lübecks Frauenhäusern betroffen?

 

Im Fall der Ablehnung wird über die Kontaktdaten anderer Institutionen, ggf. der zuständigen Behörden und ggf. freier Frauenhausplätze, anderenorts informiert. Im Bedarfsfall wird das Frauenhaus bei der Kontaktaufnahme unterstützend tätig.

In akuten Fällen (akute Notlage / Gefährdung der Frauen) wird darüber hinaus versucht, über ein Tauschangebot mit anderen Frauenhäusern oder durch Überbelegung im Frauenhaus, eine kurzfristige Lösung zu schaffen.

Gezielte Vermittlungen an andere Frauenhäuser sind aufgrund der äerst angespannten Lage landesweit oftmals nicht möglich. Dies ist insbesondere im Fall einer Mutter mit mehreren Kindern problematisch, auch aufgrund der teilweisen Altersgrenzen für minderjährige Söhne der Hilfesuchenden. Aus Datenschutzgründen erhält das Frauenhaus nach einer Beratung oder Vermittlung an andere Stellen im darauffolgenden Geschehen keine weiteren Informationen mehr über den Verbleib der abgewiesenen Personen.

 

In beiden Frauenhäusern in Lübeck ist die Lage äerst angespannt, beide Frauenhäuser sind seit Jahren mehr als ausgelastet. Dies wird der Landesregierung als zuständige Behörde laufend zurückgemeldet. Die Lage ist jedoch in allen Frauenhäusern im gesamten Gebiet von Schleswig-Holstein gleichermaßen angespannt.

 

Eine Rückkehr in den Haushalt und somit zu dem Gewalt ausübenden Menschen oder in die Obdachlosigkeit ohne Gewaltschutz kann im Anbetracht der vorgenannten angespannten Lage, trotz der intensiven und umfassenden Bemühungen aller Beteiligter, nicht vollends ausgeschlossen werden. Fundierte Angaben zu statistischen Zahlen können hierzu nicht gemacht werden.


 


Anlagen

./.
 

Stammbaum:
VO/2024/12876   Anfrage von AM Juleka Schulte-Ostermann (GAL): Überlastete Frauenhäuser in Lübeck   Geschäftstelle LINKE & GAL   Anfrage
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