Auszug - Provenienzforschung in der Völkerkundesammlung der LÜBECKER MUSEEN und Restitution von Sammlungsobjekten aus kolonialen Kontexten  

3. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege
TOP: Ö 5.1
Gremium: Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege Beschlussart: unverändert beschlossen
Datum: Mo, 09.10.2023 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 16:01 - 17:45 Anlass: Sitzung
Raum: Bürgerschaftssaal
Ort: Rathaus, 23552 Lübeck
VO/2023/11943 Provenienzforschung in der Völkerkundesammlung der LÜBECKER MUSEEN und Restitution von Sammlungsobjekten aus kolonialen Kontexten
   
 
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Monika Frank
Federführend:4.041.7 - Lübecker Museen Bearbeiter/-in: Schulenburg, Silke
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Hr. Dr. von Stockhausen führt in die Thematik ein. In der Vorlage wird ein Verfahren vorgeschlagen, wie zukünftig mit Fragestellungen zur Restitution umgegangen werden soll. Ein Berichtswesen ist vorgesehen und bei Restitutionsobjekten im Wert von über 25.000,00 Euro soll der Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege als politisches Gremium explizit eingebunden werden. Es werde eine Zusatzvereinbarung mit der Gemeinnützigen geschlossen.

 

AM Dr. Junghans spricht im Namen des Ausschusses seine Unterstützung aus und weist auf rechtlich zu überprüfende Aspekte hin (der Herausgabeanspruch ist Teil des Herausgaberechts; Bilanzneutralität). Fr. Frank stellt klar, dass die Vorlage mit dem Bereich Haushalt und Steuerung abgestimmt wurde.

 

AM Petereit schlägt vor, das Verfahren zu praktizieren. Fr. Frank stellt in diesem Zusammenhang klar, dass die Vorlage VO/2021/10537 „Freiwillige Restitution von Objekten aus der Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck“ zurückgezogen wird.

 

AM Stolzenberg begrüßt das Verfahren und fragt, ob das Verfahren über Restitutionsobjekte in kolonialem Kontext hinaus auch auf andere Restitutionsobjekte, z.B. aus der Zeit des Nationalsozialismus, angewendet werden solle. Fr. Frank erläutert, dass der Vertrag mit der Gemeinnützigen den Zeitraum vor 1934 abdecke und für die in der Zeit des Nationalsozialismus entwendeten Objekte eine andere Rechtslage vorherrsche. Hr. Dr. von Stockhausen ergänzt, dass bei Überschreiten der Wertgrenze eine politische Diskussion stattfinden müsse.   

 

AM Stolzenberg erkundigt sich nach dem geplanten Umgang mit der Lübecker Mumie. Hr. Dr. von Stockhausen führt aus, dass die weitere Diskussion in der Museumswelt abgewartet werden müsse und er aktuell keinen Restitutionsbedarf sehe. AM Dr. Junghans regt an, bei der ethischen Bewertung des Umgangs mit menschlichen Überresten die Absichten der Herkunftskultur einzubeziehen. Dem stimmen Hr. Dr. von Stockhausen und Hr. Dr. Frühsorge zu.  

 

AV Stolzenberg ruft TOP 7.1 zur gemeinsamen Beratung mit TOP 5.1 auf und erkundigt sich, wann ein Überblick über die Objekte in den Archiven der Völkerkundesammlung gegeben wird. Hr. Dr. Frühsorge teilt mit, dass sich Überreste von 25 Individuen in der Völkerkundesammlung befinden. Im Rahmen eines bis Mitte 2024 laufenden Forschungsprojekts wird identifiziert, woher die Überreste stammen und wer die Nachfahren sind. Mit diesen werde man dann in den Dialog treten, um die jeweiligen Bedürfnisse zu eruieren. 

AM Stolzenberg zieht seinen Antrag unter TOP 7.1 daraufhin zurück.

 

Der Ausschussvorsitzende lässt über die Beschlussvorlage abstimmen.

 

Der Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege
nimmt die Beschlussvorlage einstimmig an.


 


Beschluss:

 

  1. Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck bekennt sich zu der im »Museumsentwicklungsplan 2020 – 2030« (VO/2020/09097) formulierten Verantwortung, die Herkunft von Objekten (Provenienz) in der Völkerkundesammlung der LÜBECKER MUSEEN weiter zu erforschen und transparent zu machen, um eine intensive Aufarbeitung und dialogische Erschließung des kolonialen Erbes zu ermöglichen. Sie folgt damit den Empfehlungen und Zielsetzungen der »Ersten Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten«, die am 13.03.2019 gemeinsam von der Staatsministerin des Bundes für Kultur und Medien, der Staatsministerin im Auswärtigen Amt für internationale Kulturpolitik, den Kulturminister:innen der Länder sowie den kommunalen Spitzenverbänden vereinbart wurden und somit als nationale Standards für Museen gelten (s. Anlage 1).

 

  1. Sofern die Aneignung von Sammlungsobjekten gemäß den Forschungsergebnissen und im Sinne der »Eckpunkte« nachweislich in rechtlich und/oder ethisch heute nicht mehr vertretbarer Weise erfolgte, wird der Bürgermeister beauftragt, in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt und dem Staatsministerium für Kultur und Medien Kontakt mit den Ursprungsgemeinschaften der Objekte sowie anderen Institutionen in den Herkunftsländern aufzunehmen, um zu klären, ob eine Rückgabe dieser Objekte gewünscht wird und um ggf. ergebnisoffene Verhandlungen über die Optionen und Verfahren einer Restitution aufzunehmen. Dies gilt insbesondere für Erwerbungen, die im Kontext von kriegerischen Handlungen, Völkermorden, durch Raub oder Betrug in den Herkunftsländern erfolgt sind, und auch, wenn diese Gegenstände erst durch Dritte, durch Schenkung oder Kauf in die Sammlung gelangten. Über die Ergebnisse der Verhandlungen ist dem Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege zu berichten.

 

  1. Der Bürgermeister wird ermächtigt, Restitutionen sogenannter »Human Remains« (menschlicher Überreste) nach eigenem fachlichen Ermessen und sorgfältiger Dokumentation in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt und dem Staatsministerium für Kultur und Medien selbständig durchzuführen, sofern dies im Einzelfall von den Herkunftsgemeinschaften gewünscht wird. Über geplante Rückführungen menschlicher Überreste ist der Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege vorab zu informieren.

 

  1. Der Bürgermeister wird ermächtigt, Restitutionen nach eigenem fachlichen Ermessen und nach sorgfältiger Dokumentation in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt und dem Staatsministerium für Kultur und Medien selbständig durchzuführen, wenn der Wert des Einzelobjektes die in § 8 Absatz 2 Nr. 7 der Hauptsatzung der Hansestadt Lübeck festgelegten Wertgrenzen (25.000 €) nicht übersteigt. Bei Objekten mit besonderer wissenschaftlicher öffentlicher Bedeutung haben die LÜBECKER MUSEEN die vorhergehende Erfassung sicherzustellen und einen künftigen Zugang zu diesen Zwecken anzustreben. Über geplante Rückführungen ist der Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege vorab zu informieren.

 

  1. Über Restitutionen von Objekten, die diese Wertgrenze übersteigen, entscheidet die Bürgerschaft im Einzelfall nach Darlegung der von den LÜBECKER MUSEEN erforschten Provenienz und ausgehend von einem mit dem Auswärtigen Amt und dem Staatsministerium für Kultur und Medien abgestimmten Vorschlag, wie die Restitution konkret vollzogen werden soll.

 

  1. Zur Restitution von Objekten der Völkerkundesammlung, die der Hansestadt Lübeck im Zuge des 1934 mit der »Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit« abgeschlossenen Vertrages übereignet wurden, wird mit der Gesellschaft eine Zusatzvereinbarung geschlossen, die das Verfahren zur Beteiligung der Gemeinnützigen im Entscheidungsprozess regelt. Die zwischen der Hansestadt Lübeck und der Gemeinnützigen abgestimmte Vereinbarung ist Bestandteil dieses Beschlusses (Anlage 3).

 

  1. Rückgabeverpflichtungen der LÜBECKER MUSEEN als öffentliche Einrichtung aufgrund höherrangigen Rechts bleiben von diesem Beschluss unberührt.

 

 


 

 

 

 

Abstimmungsergebnis

 

Der Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege empfiehlt der Bürgerschaft gemäß dem Abstimmungsergebnis zu entscheiden.

 

einstimmige Annahme

X

einstimmige Ablehnung

 

Ja-Stimmen

 

Nein-Stimmen

 

Enthaltungen

 

Kenntnisnahme

 

Vertagung

 

Ohne Votum